Er

Er_kuchen

Ich beobachte ihn heimlich, während ich Mehl, Zucker und Vanille aus dem Küchenschrank nehme und Eier und Butter aus dem Kühlschrank dazu lege. Wie er auf dem Sofa sitzt und versucht, Fußball zu schauen. Die jüngste Tochter sitzt auf seinem Schoß, kneift ihm immer wieder in die Nase und versucht, nach seinem „Fußballbier“ zu schnappen . Die mittlere Tochter malt. Die älteste sitzt daneben und stellt ihm fortwährend Fragen zum Spiel, von der Art, wie es Kinder eben tun. Er beantwortet sie alle selbstverständlich und geduldig. So ist er. Er ist ein Familienmensch. Er schaut Fußball lieber mit 3 wuseligen Wesen auf und um ihn als alleine oder mit Kumpels in einer Kneipe. Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit uns, seiner Familie.

Ich öffne ein Glas Kirschen und gebe sie zum Abtropfen in ein Sieb im Waschbecken, das er vorhin sauber gewischt hat. Wir teilen uns die Hausarbeit gleichberechtigt, für ihn ist kochen, Wäsche waschen, putzen und auch das Kümmern um die Kinder selbstverständlich. Er ist keiner von den Männern, die sich vorm Wickeln oder vor Elternabenden drücken, die keine Ahnung haben, wie der Staubsauger oder die Waschmaschine funktioniert. Und von denen gibt es leider heutzutage noch viel zu viele.

Ich wiege die Zutaten, verrühre sie zu einem cremigen Teig und verstreiche ihn in der Springform. Währenddessen denke ich daran, wie wir uns kennengelernt haben. „Ich freue mich schon drauf, wenn du mal graue Haare bekommst“, habe ich in meiner Frischverliebtheit mal zu ihm gesagt – was er nicht müde wird, mir immer wieder in Erinnerung zu rufen. Damals hatte ich gut reden, er war 25 Jahre jung und von grauen Haaren so weit entfernt wie die Erde vom Mond. Aber ich habe es genau so gemeint. Nicht nur, weil er auch mit grauen Haaren für mich der schönste Mann der Welt ist, sondern auch, weil das bedeutet, dass wir gemeinsam alt werden. Ob wohl morgen ein weiteres graues Haar dazugekommen ist?

Ich belege den Teig mit den abgetropften Kirschen und lausche den Gesprächen auf dem Sofa. Mein Herz klopft immer noch – auch nach bald 18 Jahren. Nicht mehr wie zu Beginn – aufgeregt, schnell, hüpfend. Sondern ruhiger, tiefer und gleichmäßiger. Aber keineswegs weniger intensiv.

Ich gebe weitere Zutaten in die Schüssel und rühre, rühre, rühre scheinbar endlos, bis aus der staubig klebrigen Masse feinkrümelige Streusel geworden sind. Normalerweise ist das seine Aufgabe, denn er ist wesentlich geduldiger und ruhiger als ich. Ich bin für andere Dinge zuständig. Organisieren, den Überblick behalten, Ideen finden. Er setzt die Dinge dann oft um, wenn mir die Geduld ausgeht. Wir ergänzen uns, sind ein perfektes Team. Aber heute möchte ich diesen Kuchen – der für das Frühstück morgen sein soll – ganz alleine backen. Auch wenn mein Arm schon beginnt zu prickeln, weil die Streusel sich Zeit lassen. Diesmal mache ich das.

Schließlich sind die Streusel doch fertig, ich verteile sie auf den Kirschen, öffne die Ofentür und schiebe den Kuchen hinein. Seinen Geburtstagskuchen.

9 Kommentare

  1. Was für eine wunderwunderwunderschöne Liebeserklärung an die Liebe und vor allem an deinen Mann. Ich hatte Herzklopfen beim Lesen.

  2. Hallo Cynthia,

    So ein toller Text. Ich habe auch so ein Exemplar zuhause und kann deine Gedanken sehr gut nachvollziehen, wobei wir erst im 14 Jahr angekommen sind.

    Habt einen wundervollen Geburtstag zusammen.

    Viele Grüße
    Mama Maus

  3. Richtig schön und ehrlich geschrieben von Dir Alles Gute an deinen Mann
    Ich habe auch so ein tolles und mich immer wieder erdendes Gegenstück seit 16 Jahren an meiner Seite

  4. Ich bin seit 15 Jahren Single, also eigentlich schon immer und musste ein bisschen beim Lesen weinen. So oder gar nicht! Und bisher hieß das halt dann immer: gar nicht…

    Hoffentlich bleibt dir das Herzklopfen für ihn immer erhalten!

    • Mamamania

      Ach je, zum Weinen wollte ich aber niemanden bringen <3
      Ich wünsche dir auch so ein ganz besonderes Exemplar!

      • Nee ich hab geweint, weils soooooo schön geschrieben ist!!! Und eben, wenn mal einer kommt, dann muss ich das GENAU SO empfinden :-)

        Alles gut.

  5. Ohh ist das eine schöne Liebeserklärung. Toller Text.
    Ich finde es wunderbar dass es solche Männer gibt. Meiner ist ein totaler Familienmensch.
    Hast du schon mal darüber nachgedacht Bücher zu schreiben?

    • Mamamania

      Danke dir! Ja, ein Buch zu schreiben stehe jetzt schon unendlich lange auf meiner geheimen Wunschliste. Aber ob das jemals was wird… Man braucht Zeit, eine Idee und einfach ist das auch ganz sicher nicht…