Die Zeit ist ein merkwürdiges Phänomen. Unaufhaltsam, unerbittlich schreitet sie voran. Manchmal rast sie, fliegt förmlich, und manchmal scheint sie zu schleichen, sich zu dehnen wie Kaugummi. Und dann wieder steht sie für einen kurzen Moment still. So wie damals, vor knapp 2 Jahren, als du geboren wurdest. Als ich zum ersten Mal in deine großen Augen schaute, du auf meiner Brust lagst und wir zu begreifen versuchten, was da gerade mit uns geschah. Alles anders, neu und zugleich so vertraut.
Seitdem ist einige Zeit vergangen und so viel passiert – und doch scheint es rückblickend so, als seien die 2 Jahre verflogen. Dieser erste gemeinsame Moment – gleichzeitig einen Wimpernschlag entfernt und doch ganz weit weg.
Für dich ist die Zeit noch eine große Unbekannte, unbedeutend und leer. Aber dennoch läuft sie weiter, Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute. Und du mit ihr. Diese ersten Jahre im Leben sind ganz besonders, so sorglos und unbeschwert, bis zum Rand gefüllt mit Nestwärme und Abenteuer. Und doch wirst du dich an das meiste davon eines Tages nicht mehr erinnern können. An diese Jahre voller Nähe, Liebe, Freude, Abenteuer und Glück. Das bedauere ich oft und frage mich immer wieder – wirst du dich erinnern können, wie ich dich Tag für Tag, so viele, unzählige Stunden deines Lebens getragen habe? Im Tragetuch oder auf dem Arm, ganz nah bei mir? Wie geborgen du dich gefühlt hast? Wirst du dich erinnern können, wie ich dich gestillt habe – über deinen ersten Geburtstag hinaus? Wie sehr du das geliebt und immer wieder deine Mii gefordert hast? Wirst du dich erinnern, wie du beim Einschlafen immer mit unseren Haaren gespielt hast und wir erst gegangen sind, wenn du fest schliefst? Dass du nicht allein schlafen musstest, sondern bei uns bleiben durftest, bis du selber es anders entscheiden würdest? Wirst du dich erinnern können, wie ich dir jeden Tag dafür gedankt habe, dass du noch in unsere Familie gekommen bist? Wie ich dir unzählige Male gesagt habe, wie sehr ich dich liebe? Bis zum Mond und wieder zurück. Wirst du dich erinnern?
Vielleicht nicht bewusst, aber ich wünsche dir, dass du diese Erinnerungen in deinem Herzen verwahrst. Wie einen Schatz, für die Augen verborgen aber trotzdem spürbar. Der dir die Sicherheit gibt, geliebt zu werden, geborgen zu sein und ganz wundervoll – genau so wie du bist. Der dir das Vertrauen gibt, deine eigenen kleinen und großen Schritte in die Welt zu machen. Wie ein Samen, den man pflanzt, und der Wurzeln schlägt, die festen Halt geben. Der unter der Erde nicht zu sehen ist, aber aus dem doch ein starker Baum wachsen kann.
Vielleicht wirst du dich nicht bewusst an all das erinnern können. Aber ich kann es – für dich.
Wunderwunderwunderschön liebe Cynthia. Unsere Tochter ist knapp 15 Monate alt und ich habe mich vieles auch schon gefragt.
Danke dür diesen Text, er geht mitten in mein Herz!
<3
Andrea
Danke dir <3