Barfuß im Sommerregen

Vor ein paar Wochen begegnete mir dieser Spruch:

Bild 6Seither arbeitet dieser Satz in mir, verschiebt Dinge und rückt andere gerade. Leuchtet Prioritäten neu aus und verpackt andere in Kisten. Denn dieser Satz trifft ins Schwarze – genau darum geht es doch, oder?

Nichts prägt unsere Kinder so sehr wie eben ihre Kindheit. Ihr Urvertrauen bauen sie in den frühesten Lebensjahren auf, das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit entwickelt sich, aber auch Mut, (Selbst-)Vertrauen, Lebensfreude & Leichtigkeit. Das schöne ist ja, dass Kinder all dies fast von alleine entwickeln können. Nur Kinder haben die Fähigkeit, Dinge unverstellt und (vor-)urteilsfrei wahrzunehmen. Sie brauchen uns Eltern allerdings als stetige Rückversicherung. Als Basis um immer wieder kurz zu checken, ob es ok ist. Manchmal brauchen sie auch noch ein bisschen mehr Hilfe dabei. Und wir Eltern sind ihr vorgelebtes Beispiel! Die Prioritäten, die wir uns selber setzen, formen sich in ihren Köpfen zu einem Bild des „Erwachsenseins“ – wir sollten uns also vielleicht immer mal wieder fragen, ob das Bild dem entspricht, was wir für sie zeichnen wollen. (Und dabei meine ich nicht, dass wir alle dasselbe Bild zeichnen – so verschieden wie wir Menschen und unsere Lebensmodelle sind, so unterschiedlich werden auch die Bilder aussehen.)

Wie könnte ich denn meinen Kindern vermitteln, wie schön es ist, barfuß im Sommerregen zu tanzen, wenn ich es nicht mit ihnen zusammen mache? Wenn ich sie stattdessen immer vertröste, den Haushalt erledigen „muss“, aufräume, einkaufe? Wenn ich Ihnen völlig andere Prioritäten vorlebe, als ich mir eigentlich für sie wünsche?

Das heißt nicht, dass ich all diese Dinge wie Haushalt, Arbeit, oder auch „Me-time“ völlig links liegen lasse und nur noch Unterhaltungsprogramm für meine Kinder biete. Gar nicht! Sondern – wenn die Kinder mich fragen, ob ich mit ihnen was spiele, ein Buch vorlese oder durch Pfützen hüpfen gehe – einfach mal „ja“ zu sagen. Nicht „gleich“, nicht „aber“, einfach „ja“! Eigentlich müsste ich Wäscheberge bezwingen? Nun, die laufen mir bis morgen nicht weg. Ich muss dringend einkaufen? Oder bekomme ich nicht doch ein leckeres Resteessen aus meinen Vorräten zusammen? Ist es nicht viel schöner, Kastanien zu sammeln, im Regen zu tanzen, Kindheitserinnerungen zu erschaffen?

Oder – ein ganz aktuelles Beispiel bei uns – wenn das Kind krank ist. Natürlich kann ich eine Fremdbetreuung organisieren oder neben dem kranken Kind arbeiten. Aber die Frage ist – möchte ich das? Und was vermittle ich meinem kranken Kind damit? Dass die Krankheit, für die es ja nichts kann, stört? Solche Fragen kann natürlich nur jeder für sich selbst beantworten. Aber für mich liegen die Prioritäten hier zuerst beim Kind. Ich möchte meinen Kindern vermitteln: „ich bin für dich da“ – vor allem dann, wenn es ihnen schlecht geht. Und das schlechte Gewissen der Arbeit gegenüber schiebe ich weg. Denn – wer bleibt am Ende meiner Tage und hält mir die Hand? Meine Kinder oder die Chefs meines vergangenen Berufslebens? Ich möchte damit natürlich nicht sagen, dass ich jetzt leichtfertig alles links liegen lassen sollte. Auch verantwortungsvolles Arbeiten ist wichtig und dies unseren Kindern vorzuleben. Oder Zeit für mich und meine Bedürfnisse freizuschaufeln. Und ebenso gehören Wäscheberge zum Alltag dazu. Aber es geht mir darum, Prioritäten neu zu überdenken – und zwar nicht nur in meiner Rolle als Mutter! Mir immer wieder die Frage zu stellen – ist das jetzt wirklich so wichtig? Gar nicht so leicht, aber auch nicht unmöglich! Ich bin noch lange kein Profi darin – aber ich übe. Und der eingangs erwähnte Satz hat mich wieder ein wenig wachgerüttelt.

Die Bloggerin und Autorin Christine Finke alias Mama arbeitet schrieb kürzlich auf Twitter:

Wenn ich mal sterbe, werde ich bestimmt nicht denken: „Hätte ich doch mehr geputzt.“ Insofern sehe ich auch heute davon ab. Moin!

Das finde ich einen sehr, sehr guten Ansatz!

Ich versuche jetzt, mich immer wieder zu fragen – wie werde ich das sehen, wenn ich mal alt bin? Was ist für mich wichtig in meinem Leben? Was sind meine Prioritäten? Nicht nur als Mama, sondern als Mensch. Was würde ich bereuen und was sicher nicht? Ein bekanntes Zitat besagt

„Man bereut nicht, was man getan, sondern immer, was man nicht getan hat.“

Und auch wenn er nichts mit Kindern und Wäschebergen zu tun hat, finde ich, dass der berühmte Poetry Slam Text von Julia Engelmann „one day/reckoning“ ein wunderbarer Abschluss dieses Posts ist.

„… Also – los, schreiben wir Geschichten,

die wir später gern erzähl´n.

Und eines Tages, baby, werden wir alt sein. Oh baby, werden wir alt sein.

– und an all die Geschichten denken, die für immer unsere sind.“ (Julia Engelmann)

2 Kommentare

  1. Punkt! Kann ich so unterschreiben, diesen Beitrag. Nichts anderes stelle und nehme ich mir für unsere Zukunft mit Kind(ern) vor. Den Kindern eine Kindheit geben. Mal ausgelassen und unvernünftig sein, lästige Dinge aufschieben. Natürlich ohne den Kindern vollkommene Verantwortungslosigkeit vorzuleben.
    In mir schlummert ja immer noch ein mittelgroßes Kind, weshalb ich zuversichtlich bin, dass ich meiner Tochter und den folgenden Kindern eine tolle, kindgerechte Kindheit bieten kann. Hach, ick freu mir so.