Weißes Rauschen

WR

Meine Erziehung basiert auf meinem gesunden Menschenverstand gemischt mit einer ordentlichen Portion Bauchgefühl, Liebe und Respekt, Austausch mit anderen, mir persönlich bekannten und erfahrenen Müttern sowie dem ein oder anderen zufällig aufgeschnappten Leitsatz namhafter professioneller Erziehungsfachmenschen. Dahingehend ist es mir (und auch meinem Mann) natürlich völlig klar, dass Schreien im Erziehungsalltag weder richtig noch erstrebenswert ist. Also theoretisch. Praktisch sieht das nämlich leider völlig anders aus.

„Geh bitte ins Bad und putze deine Zähne, du musst gleich los zur Schule.“ Instruieren wir beispielsweise Morgen für Morgen unsere ältere Tochter. Kurz & prägnant, klar formuliert, höflich und verständlich. Die Traumtänzerin reagiert nicht. Also wiederholen wir, direkten Augenkontakt suchend den Satz. Wieder keine Reaktion. Eine dritte Wiederholung, schon deutlicher, minimal lauter und bestimmt, aber immer noch freundlich. „Es ist schon spät! Putz dir JETZT bitte die Zähne!“ Immer noch nix. „OOOAARRRR!!! DU KOMMST ZU SPÄT ZUR SCHULE!!! GEH DIR JETZT ENDLICH DIE ZÄHNE PUTZEN!!!! Platzt es aus mir raus. Und siehe da – die Traumtänzerin reagiert endlich, putzt die Zähne und verlässt gerade noch rechtzeitig das Haus. Was bleibt ist ein doofes Gefühl und ein leises Gefühl des Versagens.

Ähnliches bei unserer Jüngsten. Ein Beispiel: Lausdirndl sucht sich etwas aus dem Süßigkeitenkorb aus. Alle aussortierten Naschereien sowie die Verpackung des gewählten Objektes fliegen kreuz und quer im Wohnzimmer rum. „Lausdirndl, räum bitte die Süßigkeiten wieder auf. Und wirf deinen Müll in den Mülleimer.“ Keine Reaktion. „Hallo? Lausdirndl! Bitte räume die Sachen hier wieder auf.“ Immer noch nichts. „VERFLIXT NOCHMAL, JETZT REICHT ES MIR ABER! RÄUM DEINEN MÜLL AUF SONST GIBT ES MORGEN EBEN NICHTS SÜßES!!!“ Zack – alles wird ratzfatz weggeräumt und fachgerecht entsorgt.

Und auch abends. Natürlich spielen die Kinder immer dann besonders friedlich und zauberhaft miteinander, wenn es Zeit ist ins Bett zu gehen. In solchen Momenten sage ich Ihnen dann, dass sie noch XY Minuten spielen dürfen, weil es gerade so schön ist, sie sich dann aber bitte bettfertig machen müssen (Vorankündigung – soll man ja so machen. Man kann mir also nicht vorwerfen, dass ich es nicht versuche). Etwa XY Minuten später dann: „So ihr Mäuse, jetzt ist aber wirklich Bettzeit. Kommt bitte ins Bad.“ Keine Reaktion. „MÄÄÄDELS! Kommt bitte ins Baahad! Zähneputzen!“ Nada. „HALLO??? SPRECHE ICH CHINESISCH?? AB INS BAD JETZT!!“ und schon trippeln 4 Füßchen in Richtung Nasszelle.

Ich könnte die Liste beliebig fortsetzen. Im Flur verteilte Schuhe und Jacken, Hausaufgaben, Aufräumen, Essen kommen undundund… Es ist in den meisten Fällen mehr oder minder dasselbe. Meinem Mann – eigentlich die Ruhe selbst – geht es übrigens genau so. Es ist, als würden sie unsere Elternstimmen einfach ausblenden. Wie so ein weißes Rauschen. Erst wenn wir unseren Frequenzbereich auf mindestens Diskosound einstellen werden wir in ihren Kinderohren wahrgenommen.

Manchmal schauen Sie mich dann nach meinem vokalen Vulkanausbruch nur irritiert an und sagen leicht tadelnd „Ich komme ja schon! Warum schreist du denn so?“ Und ich stehe da, ein weißes Rauschen im Kinderkosmos, und möchte in eine Tischkante beißen. Oder meinen Kopf an den Türrahmen hauen.

2 Kommentare

  1. ich habe mich gerade in Deinem Text wiedererkannt und musste schmunzeln….auch bei meiner 3-jährigen geht es mir bereits so. Wenn sie nicht auf leisestes Rascheln einer Süßigkeitenverpackung reagieren würde, könnte man meinen, sie hätte ein Problem mit den Ohren. Sie schafft es perfekt, mich zu ignorieren. genau wie bei Euch klappt es oft erst, wenn ich laut(er) werde – und ich mag mich nicht „in laut“. Normalerweise fluche ich nicht, aber letzte Woche ist mir ein „Verdammt nochmal“ mit rausgerutscht, eigentlich Papas Art, Frust auszudrücken. Prompt kommt die Frage: „schimpfst Du jetzt wie der Papa?“ Vielleicht sollten wir öfter mit Überraschungseffekten arbeiten, wie immer die aussehen könnten.

    Schön, dass es andern auch so geht 😉
    Liebe Grüße

  2. Noch kann ich mich mangels geborenem Kind nicht wiederfinden, aber mir deucht, dass es uns ähnlich treffen wird. Schlecht hören können sie gut, die lieben Kleinen. Ich denke aber, dass es vollkommen normal, menschlich und auch in keinster Weise unangebracht ist, wenn man mal ein Machtwort spricht. Ist ja meist nicht so, dass man ausschließlich schreiend mit ihnen kommuniziert.
    Und was wären das für Kinder, die aufs Wort gehorchen? Gruselig :)