Das große Krabbeln

„Wir haben Läuse“ – als ich das erste Mal das Warnschild an der Kindergartentür las, fing es augenblicklich auf meinem Kopf zu jucken an. Fast panisch fiel ich in der Apotheke ein und ließ mir ein „Läuse-Abschreckspray“ Marke Spezial-Hausmischung andrehen. Es roch gar nicht schlecht, irgendwie esoterisch, nach Nelken und anderen ätherischen Ölen.
„Zur Vorbeugung von Läusebefall“ stand darauf und allein das Wort „befall“ ließ mich erneut heftigst schaudern. Ich sah es direkt vor mir – eine Armee von krabbelnden blutdurstigen Mikroparasiten, die heuschreckenschwarmgleich über unsere Köpfe herfiel. Wuah! Mein Albtraum!!
Ich weiß, dass es den meisten so geht. Egal mit wem man spricht, sobald das Wort „Läuse“ fällt, fängt es bei allen augenblicklich an zu jucken.

Wir blieben zum Glück bislang immer verschont – ob das am Läuseabschreckspray lag oder unsere Haare für die kleinen Feinschmecker nicht lecker genug dufteten – man weiß es nicht. Ich selber habe als Kind auch nie welche gehabt.
Als vereinzelt Mütter aus meinem näheren Bekanntenkreis das Krabbelgetier auf den Köpfen ihrer Kinder entdeckten, mit denen wir kurz zuvor gespielt hatten, untersuchte ich täglich akribisch die Köpfe meiner Töchter. Und sobald eine von ihnen sich auch nur andeutungsweise am Kopf kratzte, sprang ich auf und suchte wie eine Affenmutter Strähne für Strähne ihr Fell Haupthaar nach dem Ungeziefer ab.
Mein tiefstes Mitleid galt immer den Müttern der Lausekinder und ich spielte jedes Mal mit dem Gedanken, Beileidskarten zu schicken – per Post natürlich!!!

Der Vorteil an Läusen im näheren Umfeld ist, dass man zwangsläufig genaueres darüber erfährt. Zum Beispiel, dass Läuse höchst ungern und niemals freiwillig den heimischen Kopf verlassen und somit so gut wie nie auf Kopfkissen oder Kuscheltieren, Autositzen, Mützen oder ähnlichem anzutreffen sind. Sie würden dort nämlich innerhalb kürzester Zeit verhungern. Also braucht man als Betroffener – außer vielleicht Kopfkissen, Bürsten und Handtücher – eigentlich nichts zu waschen, einzufrieren oder gar das Lieblingskuscheltier 3 Wochen in einer verschlossenen Plastiktüte zu ersticken.
Läuse klammern sich mit ihren 1a Klammerbeinchen an „ihren“ Haaren fest und landen so eher versehentlich und nicht so häufig wie man meint auf dem Nachbarkopf. Nämlich, wenn man sprichwörtlich „die Köpfe zusammensteckt“. Springen können Läuse übrigens auch nicht. Das wären dann Flöhe.

Das alles – zusammen mit der Tatsache, dass unsere Köpfe Läusen nicht zu munden schienen, fand ich doch ziemlich beruhigend.
Eines Abends – wir standen gerade im Bad zum abendlichen Zähneputzen – fiel mein Blick auf den Kopf der Traumtänzerin. Und wer saß da obendrauf und guckte mich frech an? Genau – eine Laus! Noch ehe mein Gehirn in Schreckstarre verfallen konnte, schnappte ich mir das Tierchen und legte es erstmal auf die Fensterbank. Ein kurzer Besuch bei Google bestätigte mir, was ich ohnehin schon wusste – es handelte sich um ein ausgewachsenes Exemplar der pediculus humanus capitis – kurz Kopflaus.

Da es schon nach 19 Uhr war und mein Mann nicht im Haus, packte ich beide Kinder ein und fuhr zwecks Läusemittelbeschaffung zur nächsten Notdienstapotheke. Natürlich war es die im 13 Km entfernten Ort – auf Murphy ist Verlass!
Wieder zu Hause verteilte ich die klebrige Masse großzügig auf den Kinderköpfen. Da ich auch ganz vereinzelte Nissen auf dem Lausdirndlkopf ausgemacht hatte, bekamen nun beide diese Spezial-Haarkur.

10 Minuten Einwirkungszeit stand da – ich ging auf Nummer sicher und ließ das Zeug 25 Minuten drauf, damit auch ja die hinterletzte Pediculus erstickt war.
Lustigerweise erreichte mich just in dem Moment, als das Mittel auf den Kinderköpfen einwirkte, eine Email der Klassenlehrerin – Läusewarnung. Und wir sollten beileibe nicht die einzigen aus der Klasse bleiben, die es getroffen hatte!

Dann ging es ans Kämmen. Eine dreiviertel Stunde lang hingen die Traumtänzerin und ich über der Badewanne – wir hatten die Läuse nämlich so früh entdeckt, dass die Nissen noch winzig waren und nicht in dem dämlichen Nissenkamm hängenblieben, sondern einzeln mit den Fingern rausgepopelt werden mussten. Beim Lausdirndl ging es wesentlich schneller. Das jeweils andere Kind durfte eine Folge „Mia and me“ schauen und als die Kinder endlich mit 2x gewaschenen Haaren im Bett lagen, war es 22 Uhr und mein Rücken fühlte sich an, als wäre er 40 Jahre älter als der Rest von mir.
Eine heiße Dusche später wollte ich mich nur noch mit einem Glas Rotwein auf die Couch verkrümeln. Auf einen Tipp hin nahm ich nur kurz den Nissenkamm, beugte mich über die Badewanne und kämmte durch meine trockenen Haare. Sie ahnen es, oder??
(Der kleine Nachteil einer Kuschelfamilie)
Hatte ich mich bei den Kindern keinen Moment geekelt, überkam mich nun das große Grausen. Zum Glück war noch genug von dem Läusemittel da.
Bis ich endlich mein wohlverdientes, extragroßes Glas Rotwein zur Beruhigung trinken konnte, war es 23 Uhr. Was für ein lausiger Abend!

Inzwischen sind wir übrigens alle wieder lausfrei. Und bleiben es hoffentlich! Aber der Spitzname meiner Jüngsten „Lausdirndl“ tippt sich heute ein kleines bisschen schwieriger.

Falls Sie sich beim Lesen dieses Textes ununterbrochen gekratzt haben, entschuldige ich mich vielmals. Aber glauben Sie mir – besser ein hypochondrischer Juckreiz als echte Läuse ;)

Kommentare

Source: Mamamania

2 Kommentare

  1. Sehr informativ, vielen Dank. Ich hatte die Befürchtung, das eventuell die Hunde dann auch befallen werden.. Dann muss ich (sollte es soweit kommen) nur das Mini-Göörl davon abhalten, mit den Hunden zu kuscheln.. deren Haare sind nicht so typisch drahtig, sonder fein und flusselig wie Menschenhaare :)

    Bin eh gespannt, was sie ab August so alles mitbringt aus dem KiGa.

    Früher hat meine Oma das ja mit Wonne gemacht, als wir damals die Läuse hatten. Sie hat akribisch alles rausgepult, als meine Mutter uns rüberschickte – und hier siehst du dann mein Dilemma:Ich muss später selber ran :) Meine Mutter hat uns nämlich damals abgeschoben.. Obwohl, Schwiegermutter is ja auch noch da.. krchkrch :)

    Ich hab mich jetzt zweimal am Kopp gekratzt, aber es kribbelt doch ganz schön..

    LG Nicola

  2. ggg – was für eine nette anschauliche und sehr gut nachvollziehbare Schilderung. Das kommt tatsächlich in den besten Familien vor, ist ja aber auch gut in den Griff zu kriegen, zum Glück. Hab mich amüsiert und an ähnliche Aktionen erinnert, die Kids sind jetzt Teenager, da sind wir hoffentlich durch mit dem Thema.