Deutschstunde

Heute gewähre ich euch mal einen kleinen Einblick in meine Vergangenheit. Einen Blick auf mein Teenager-Ich und warum es praktisch an ein Wunder grenzt, dass mein Blog doch noch das Licht der Welt erblickte. Denn ich habe ein kleines Deutsch-Trauma. Aber von Anfang an:

Bereits als kleines Kind erfand ich gerne Geschichten. Als ich dann lesen konnte, wurde ich ein richtiger Bücherwurm, verschlang die dicksten Wälzer und schrieb auch selber gerne Aufsätze.
Dann kam die Mittelstufe und mit ihr Frau Dr. Oberstudienrätin. Eine korrekte Mittfünfzigerin mit Kurzhaarschnitt und verkniffenem Gesichtsausdruck. Ausgerechnet sie hatte die zweifelhafte Ehre, uns in eine der Königsdisziplinen des Deutschunterrichts einzuführen – die Gedichtinterpretation. Ihr ist es zu verdanken, dass ich bis zur Oberstufe nicht verstand was eine Metapher ist. Denn als es um die Stilmittel ging, teilte sie ein Blatt aus, auf dem sämtliche relevanten Stilmittel aufgelistet waren – und nebendran entsprechende Beispiele zur Verdeutlichung. So weit so gut, könnte man meinen. Aber was stand da neben „Metapher“? Schwarze Milch der Frühe. Punkt. Sonst nichts. Schwarze Milch der Frühe?!? What? Erst heute, in Zeiten von google habe ich rausgefunden, dass dies ein sich wiederholendes Zitat aus dem Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan ist. Ein ziemlich bedrückendes und düsteres Gedicht, in dem es um die Massentötung von Juden in Konzentrationslagern im 2. Weltkrieg ging. Dieses Gedicht haben wir jedoch nie durchgenommen und ich finde, auch so ist dieses Zitat das denkbar schlechteste Beispiel, was man Literatur-jungfräulichen Achtklässlern zur Erläuterung einer Metapher vorlegen kann.
Daneben, in geradezu groteskem Gegensatz dazu das Beispiel für eine Alliteration: Rennie rühmt den Magen auf. Nein, nein, ich habe mich nicht vertippt. Rennie rühmt den Magen auf stand da schwarz auf weiß. Ein Werbeslogan – und dann auch noch falsch und völlig sinnlos und zudem auch noch nicht besonders „alliterarisch“. Was ist mit Milch macht müde Männer munter? Oder Mars macht mobil – wenn es denn schon aus der Werbung stammen muss? Aber nein, Rennie rühmt den Magen auf – vermutlich nachdem man sich jenen an der Schwarzen Milch der Frühe verdorben hat!
Ich glaube, man kann nachvollziehen, warum wir größtenteils nur Bahnhof verstanden.

Sie beließ es aber nicht bei den klassischen Stilmitteln – nahein! Wir befanden uns schließlich auf einem humanistischen Gymnasium. Also mussten wir uns auch mit so bedeutenden Stilmitteln wie „Hendiadyoin“ und „Homoioteleuton“ rumschlagen.
So kam es, wie es kommen musste – ich bekam in Gedichtinterpretation eine 4. Meine Interpretation diverser Gedichte war scheinbar nicht korrekt. Ich fand das immer fürchterlich ungerecht und anmaßend. Woher bitteschön wollte Frau Oberstudienrätin wissen, was Herr von Goethe oder seine neuzeitlicheren Kollegen mit ihren Gedichten aussagen wollten? Nur weil es irgendwann irgendwelche Literaturexperten definiert hatten, war das doch noch lange nicht bewiesen? Wer weiß, ob der ein oder andere Dichter überhaupt irgendetwas aussagen wollte, oder einfach nach dem Genuss diverser Rauschmittel willkürlich Wörter aufs Papier gekritzelt hatte. Aber diskutiert das mal mit einer Oberstudienrätin.

So mag es ein wenig verwundern, dass ich mich für Deutsch als Leistungskurs entschied. Aber so leicht wollte ich mir meine Liebe zur Muttersprache nicht vermiesen lassen. Außerdem war ich inzwischen auf einer anderen Schule und hatte somit Hoffnung auf eine moderne, inspirierende Lehrkraft. Diese stellte sich jedoch als ein vorpensionärer, stockkatholischer Mann heraus, der den Unterricht gerne dazu nutzte, Propaganda gegen Abtreibung zu machen. Auf unserer Literaturliste standen bedeutende Werke wie „Das Lied von Bernadette“ von Franz Werfel – ein dicker Wälzer über das Leben der heiligen Bernadette Soubirous von Lourdes. Das war das erste Mal, dass ich ein Buch für die Schule nicht fertig las, sondern mir den Film dazu auslieh. Ich, die sonst IMMER jedes Buch dem dazugehörigen Film vorzieht.
Oder auch Hermann Hesses Peter Camenzind. Ich konnte das Buch einfach nicht zu Ende lesen, weil ich schlicht und ergreifend jedes Mal über den Seiten einschlief! Ernsthaft – wie kann man nur 10 Seiten über eine einzige Blumenwiese schreiben??

Aber irgendwann ist auch die längste Schulzeit vorbei und ich war frei, zu lesen und zu schreiben, was mir gefällt. Und das tue ich. An Hermann Hesse habe ich mich bis heute jedoch nicht mehr rangetraut und vor Gedichten habe ich eine regelrechte Phobie. Aber damit kann ich gut leben.

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Source: Mamamania

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