Eine Frage des Blickwinkels

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Neulich sagte mir jemand, mein Auftritt im Netz (z.B. auf Instagram & Facebook) und das vieler anderer (Mama-)Accounts sei falsch. Dieser Schein von der schönen heilen Welt, das Zurschaustellen vom happy life – perfekte Muffins, gestylte Wohnzimmer, kuschelige Tragetuchfotos, fröhliche & schick gekleidete Kinder – würde ein falsches Bild vermitteln und dazu führen, dass andere Mütter* sich unzulänglich fühlen.
Dazu möchte ich sehr gerne etwas sagen. Ich weiß wohl, dass diese Vorwürfe öfter laut werden. Ich kann hier natürlich nur für mich sprechen, aber ich bin mir sicher (und bei einigen anderen Mamabloggern weiß ich es aus persönlichem Kontakt definitiv), ich spreche da für viele der „angeprangerten“ Mama-Accounts.
Wir alle haben bergeweise Schmutzwäsche, ungeputzte Zimmer, unaufgeräumte Küchen & Kinderzimmer und verunglückte Muffins. Wir haben alle bescheidene Tage – und vor allem Nächte. Und davon sicher nicht wenige. Wir haben kranke Kinder oder sind selber krank – und müssen trotzdem funktionieren. Wir kämpfen uns durch Trotzphasen und Zahnungsnächte, Läuseepidemien und Pubertätskrisen. Wir alle gehen manchmal auf dem Zahnfleisch, zählen die Minuten bis „Feierabend“ herunter, werden laut oder brechen in Tränen aus, weil wir nicht mehr können. Dieses Mama-Ding ist höllisch anstrengend – das will niemand infrage stellen! Aber es ist eben auch wunderschön.
Mir persönlich geht es darum – im Netz, aber vor allem im echten Leben – den Fokus auf die schönen Dinge zu lenken. Natürlich könnte ich den ganzen Tag jammern, wie anstrengend alles ist. Nur mache ich es dadurch keineswegs besser! Aber wenn ich mir immer wieder die schönen Augenblicke und Kleinigkeiten vor Augen führe – das friedliche Einschlafkuscheln nach einem anstrengenden Tag, die wunderschönen Geburtstagsmuffins inmitten vom Küchen-Backchaos, über das sich das Geburtstagskind am nächsten Morgen mit leuchtenden Augen freuen wird, die neue Hose des Kindes, die man möglicherweise im Schweiße des Angesichts selber genäht hat, die liebevoll angerichtete Brotzeit, die das Kind am anstrengenden Schultag vielleicht zum Lächeln bringen lässt, die Kinder, die wunderbar friedlich zusammen spielen, nachdem sie sich den ganzen bisherigen Tag gezankt hatten wie die Kesselflicker – dann ist es möglicherweise das, was vom Tag bleibt, was man in Erinnerung behalten möchte, während man alles andere wegschiebt.
Und gerade wenn wir vom Internet reden – wir wissen, dass alles, was wir hier posten, bleibt. Manches lässt sich vielleicht nie wieder löschen. Und wir sollten uns doch fragen – was möchten wir später für die Augen unserer Kinder bewahren? Noch sind sie klein und man mag sich besser fühlen, wenn man sich im Netz mal kräftig „auskotzen“ kann. Aber was, wenn sie einmal größer sind und im Internet diese Dinge über sich sehen oder lesen? Ich möchte nicht nur für mich, sondern auch für meine Töchter die schönen Dinge festhalten (wobei ich durchaus auch mal Berge von Schmutzwäsche, Küchenchaos, zermatschte Brotzeitreste oder meine Augenringe gepostet habe!) Wir sollten uns vielleicht mal fragen, welche Fotos würden wir ins Album kleben – weinende Kinder & chaotische Wohnungen? Oder die schönsten Momente?
Und zum Vorwurf, andere Mütter würden sich dadurch unzulänglich fühlen: möglicherweise kann – wenn man sich ohnehin schon überfordert und unzulänglich fühlt – das Anschauen solcher Bilder dieses Gefühl verstärken. Aber niemals hervorrufen! Es kommt auf den Blickwinkel an, mit dem man diese Dinge betrachtet. Mit Neid und Unzufriedenheit? Dann kann man einfach alles als Affront verstehen. Oder mit Offenheit und positiver Einstellung – dann kann man diese Bilder als Inspiration oder einfach nur das betrachten, was eigentlich gemeint war: der Fokus auf die schönen Dinge des Lebens. Ob und wie ich mich mit anderen vergleiche, liegt in meiner eigenen Hand – und ist nicht „die Schuld“ der anderen.
Und wer trotz allem nicht aus seiner Haut kann und diese Accounts nach wie vor als Affront sieht – es gibt im Internet eine ganz wundervolle Erfindung – einen kleinen Button mit der Bedeutung „nicht mehr folgen“ 😉

* ich rede hier bewusst nur von Müttern, denn ich wage zu behaupten, die meisten Väter machen sich um dieses Thema eher weniger Gedanken. Aber falls sich doch einer wiedererkannt hat, ist er natürlich ebenfalls herzlich angesprochen.

3 Kommentare

  1. Hallo Cynthia, ich finde deinen Vergleich mit dem Familienalbum (also welche Momente festgehalten werden sollen) sehr gelungen. Auch ich blogge – mit dem Themenschwerpunkt „kreative Medienerziehung“ und stelle mir sehr oft die Frage: Wirklichkeit und Schein – zwischen „mach es wie die Sonnenuhr“ und eine „verfremdete Realität“ schaffen. Jetzt weiß ich wie du es beim Bloggen machst – aber wie gehst du mit deinen Kinder mit diesem Thema um? Deine Meinung wäre sehr spannend für mich, vielleicht magst du ja auch bei meinem Blogroll mitmachen – ich lasse dir mal meine Page da: http://www.digitalparents.at. Liebe Grüße Kathi

  2. Ich sehe das ähnlich wie du, ich möchte auf meinem Blog hauptsächlich schöne Dinge festhalten und teilen. Was ich bei einigen Müttern aber nicht verstehen kann, ist das die Insta-Accounts voll sind mit Bildern von weißen Möbeln und weißen Klamotten, ich frage mich dann immer, ob ich die einzige bin, die bei Klamotten und Möbeln überwiegend darauf achtet dass sie pflegeleicht sind und auch in ein paar Jahren noch gut aussehen, was bei hellen Sachen einfach schwieriger ist.