Etappenziele, oder: sind wir nicht alle Supermamas?

„Du bist echt ne Supermama! Ich weiß gar nicht, wie du das immer meisterst mit Job und Kindern und Haushalt! Unglaublich!“
verdutzt schaue ich auf das Telefon in meiner Hand. Diese Sätze habe ich gerade abgehört, per Sprachnachricht von meiner besten Freundin, die seit 7 langen Jahren in Australien lebt und somit den größten Teil meiner Zeit als Mama nur aus der Ferne mitbekommen hat – durch Sprachnachrichten, Whats App Bilderpost oder seltenen Telefonaten. Auch dieses Mal bezog sie sich auf eine zuvor von mir geschickte Nachricht, in der ich ihr lediglich meine Pläne für den Tag berichtet hatte: Büro, Bücherei, Krankenpflege der Ratte von urlaubenden Nachbarn, Haushalt – ein ganz normaler Wochentag!

Was meinte sie also mit „unglaublich“ und „Supermama“? Ich hetze doch ständig nur von einem Ort zum anderen – vom Frühstückstisch ins Büro, von dort zu Hort und Kindergarten, dann wahlweise nach Hause in den Waschkeller, zu Arztterminen, Kinderturnen, Supermarkt, Freunden der Kinder (Mamataxi), Bücherei, Tierarzt oder, oder, oder…
Und dabei schaffe ich doch nur die Hälfte. Seit Monaten müsste ich mich dringend um eine Optimierung meiner Zahnversicherung kümmern, die letzte Zahnreinigung ist auch schon viel zu lange her und meine Frauenärztin kennt mich wahrscheinlich gar nicht mehr. Ich müsste Flohmarktsachen raussuchen, die Kleiderschränke aussortieren und im Haus in so ziemlich jedem Zimmer endlich mal gründlich aufräumen, vom Staubwischen oder Fensterputzen ganz zu schweigen. Ich würde gerne mehr Sport machen oder generell Zeit für mich genießen, ein Hobby finden und so, so gerne öfter Bloggen! Wenn ich sehe, wie regelmäßig andere Elternblogger schreiben und dann oft auch noch tolle, durchdachte Beiträge, die sie sicherlich nicht mal eben zwischen Krippe und Kinderturnen aus dem Handgelenk schütteln, dann frage ich mich jedes Mal, wie – oder besser wann – machen die das und wieso schaffe ich das nicht?
Der einzige Moment des Tages, an dem ich endlich Zeit hätte, ist der Abend, so ab halb neun, wenn die Kinder im Bett sind und die Küche gemacht ist. Aber dann bin ich so erledigt, dass ich mich nur noch in die Wanne oder auf die Couch fläzen kann und ein bisschen im TV oder sozialen Netzwerken vorbeischauen. Sogar zum Lesen bin ich oft zu müde, mir fallen einfach die Augen zu. Als Supermama hätte ich mich selber also wirklich nicht bezeichnet.

Ich nehme das Telefon wieder ans Ohr und lausche weiter den Worten meiner Freundin und merke, wie gut das tut!
Warum muss erst jemand, der 16.000 Km entfernt lebt, mir sagen, dass ich das gut mache? Warum sage ich mir das nicht öfter selbst? Und warum richte ich meinen Fokus ständig auf die Sachen, die ich nicht schaffe, statt auf die Dinge, die ich an jedem einzelnen Tag geleistet habe?
Ich habe mich selber eigentlich immer als Optimistin gesehen, aber im Bezug auf mich selbst liege ich damit scheinbar gründlich daneben! Sehe ich das Glas auf meinem Tisch tatsächlich halbleer statt halbvoll?

Ich bin ein Ganz-oder-gar-nicht Typ – halbe Sachen machen mich unruhig. Ich will immer gleich alles, statt mich Schritt für Schritt vorwärts zu bewegen. Angefangene Dinge werden bei mir im Gehirn einsortiert unter „nicht erledigt“, also ins halbleere Glas. Richtig zufrieden bin ich eigentlich erst, wenn die Wäschekörbe leer gewaschen, auch die letzte Socke getrocknet und wieder eingeräumt ist (Utopie!!), das Wohnzimmer nicht nur tiptop aufgeräumt, sondern bestenfalls auch noch geputzt oder nicht nur das Erdgeschoss, sondern das ganze Haus gesaugt ist und, und, und…
In diesem täglichen Alltags-Marathon habe ich meinen Blick immer auf die Ziellinie gehaftet und die Etappenziele übersehe ich schlichtweg.

Zum Glück bin ich nicht in allen Bereichen so kritisch mit mir – ich finde zum Beispiel, dass ich mit meinen Kindern liebevoll umgehe, für sie da bin, zuhöre, tröste und kümmere. Das hat bei mir zum Glück oberste Priorität und somit ist es – realistisch betrachtet – nur der olle Haushalt oder organisatorischer Kram, der liegenbleibt. Und leider manchmal auch Zeit für mich. Daran muss ich wirklich arbeiten, damit mein Akku regelmäßig wieder aufgeladen wird, denn auch für Etappenziele braucht man Energie.

„Der Weg ist das Ziel“ ist eine uralte Weisheit, im Buddhismus ist dies ein Schlüssel zur Gelassenheit und zum Sein im Hier und Jetzt. Wer immer nur ein Ziel vor Augen hat, verliert den Blick für die Dinge am Wegesrand. Oder für die bereits geschafften Wegabschnitte. Und die Bedeutung geht sogar noch weiter, nämlich dass das vermeintliche Ziel meist gar nicht das ist, was wir erreichen können oder wollen, sondern nur ein Trugbild. Jeder einzelne Schritt ist bereits ein Ziel.

Und um das auf meinen Working-Mom-Alltag zu adaptieren: jede noch so kleine erledigte Aufgabe ist eine erledigte Aufgabe. Es geht nicht darum, ein blitzsauberes Haus oder einen perfekt organisiertes Leben zu haben. Diese Ziele sind eigentlich ohnehin unerreichbar und ehrlich betrachtet noch nicht einmal wirklich erstrebenswert. Sondern den Alltag Schritt für Schritt zu anzugehen und jedes Etappenziel bewusst wahrzunehmen. Und vor allem – sich selber auch mal zu loben!

Also fange ich gleich mal damit an: ich habe heute 6 Stunden gearbeitet und dort ein kniffliges Problem gelöst. Ich habe die Kinder abgeholt, der Nachbarsratte Medizin eingeflößt (was leichter klingt als es ist!), war bei der Reinigung und der Änderungsschneiderei, habe beide Kinder zu Freunden gefahren und sammle sie gleich wieder ein, habe es tatsächlich geschafft, tagsüber zu bloggen und werde gleich noch Milchreis mit Erdbeeren kochen. So schwarz auf weiß liest sich das tatsächlich gut. Und die Wäsche? Die bleibt heute liegen – schließlich kann sie mir ja nicht weglaufen ☺

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Source: Mamamania

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