Flagge zeigen und helfen #BloggerfuerFluechtlinge

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„Mama, im Radio von der Traumtänzerin habe ich gehört, es wurden 3 tote Flüchtlinge entdeckt. Warum sind die tot?“ fragt mich das Lausdirndl.

Und wieder einmal stehe ich da und weiß nicht, was ich sagen soll. Wie vermittelt man seinen Kindern, dass die Menschen im Meer ertrinken, in LKWs ersticken oder im Eurotunnel umkommen? Ich entscheide mich für „Ich weiß es nicht“ – denn meine Kinder sind noch zu jung, um das ganze schreckliche Ausmaß zu erfahren. So oft habe ich mit den beiden in den letzten Wochen und Monaten über Flüchtlinge gesprochen. Warum sie in unser Land kommen und warum wir ihnen helfen müssen. Es ist eine große Herausforderung, ihnen dies altersgemäß zu verpacken und in erträglichen Maßen. Manchmal muss ich kämpfen, um sie meine Tränen und Wut nicht sehen zu lassen, denn ich habe Dinge gehört und gelesen, die so schrecklich sind, dass mein Verstand sich weigern will, diese zu akzeptieren. Die ich als Mutter und Mensch kaum ertragen kann. Aber dennoch sind sie wahr – wir können es uns nur kaum vorstellen, weil es uns so verdammt gut geht.

Diese schrecklichen Dinge – von ertrinkenden oder getöteten Flüchtlingen, missbraucht und allein gelassen, von angezündeten Unterkünften, Menschen, die auf Kinder urinieren oder Hassparolen verbreiten – kann und will ich meinen Kindern nicht erzählen. Sie sind einfach noch zu jung, um so viel Böses begreifen oder ertragen zu können. Ich habe das große Glück, dass ich meine Kinder so in Watte packen kann und versuchen ihnen eine behütete Kindheit zu bieten. Denn vor unserer Tür explodieren keine Granaten, wir werden nicht politisch verfolgt, haben ein Dach über dem Kopf und müssen auch keinen Hunger leiden.

Ich denke viel nach in diesen Tagen. Schreckliche Bilder, Traurigkeit und Wut lassen mich nicht schlafen. Wut vor allem auf die erschreckend große Zahl der „ich bin kein Nazi, aber….“ Posauner. Sätze wie „die wollen ja bloß schmarotzen“, oder „wer muss das wieder zahlen? Wir natürlich.“ „steigende Kriminalit“ uvm. blubbern wie schwarzes Pech aus allen Poren des Internets und real lifes. Dabei fällt mir immer wieder auf, dass diese Phrasen von den uninformiertesten Individuen rausgehauen werden (Menschen möchte ich sie gar nicht nennen), deren vermeintlichen Argumente entbehren nicht nur jeglicher Grundlage, sondern sind schlichtweg haltlos und dumm.

Die flüchtenden Menschen kommen meist aus Kriegsgebieten oder aus der politischen Verfolgung, geben all ihr Hab und Gut auf, zahlen horrende Summen an illegale Schleuser, um auf Booten oder LKWs, die gar nicht für Menschen oder maximal für einen Bruchteil der Passagiere geeignet wären, auf unseren Kontinent zu kommen, ohne zu wissen, ob sie die Überfahrt überleben. Sie riskieren oft nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Frauen und Kinder, ohne eine Ahnung, wo und wie sie unterkommen können. Und das alles, um hier zu „schmarotzen“ und uns danach zu überfallen?? Glaubt ihr das ernsthaft?

Wie groß die Verzweiflung und Angst sein muss, die jemanden dazu bringt, all das auf sich zu nehmen, können wir uns nicht annähernd vorstellen. Weil wir in einem Land leben, in dem es uns so verdammt gut geht. Und was haben wir dafür getan? Nichts! Es ist schlicht Glück, dass wir in diesem Land geboren wurden und unsere Eltern und vorhergehende Generationen eventuell auch schon. Wir haben nichts dazu beigetragen – woher kommt also dieses stolze Besitzdenken, diese Selbstverständlichkeit, das die „ich bin ja kein Nazi, aber“ Fraktion an den Tag legt?

Zum Glück gibt es viele Menschen, die dem Paroli bieten. In den letzten Wochen ging eine Gegenwelle durchs Internet. Auch viele Blogger haben „Flagge gezeigt“ und unter den Hashtags #refugeeswelcome und #bloggerfuerfluechtlinge Texte gegen den braunen Mob veröffentlicht. Und nicht nur das! So viele haben auch gehandelt und mit angepackt. Sei es mit Geld- oder Sachspenden, in ihren Gemeinden, oder beim LaGeSo in Berlin – bei der Essensausgabe oder in Kleiderkammern. Manche nehmen auch Flüchtlinge bei sich zu Hause aus – Jugendliche, Familien. Diese enorme Welle der Menschlichkeit zeigt mir – und hoffentlich auch vielen anderen – dass ein großer Teil von uns helfen will und kann. Und Hilfe ist dringend nötig!

Die Initiative Blogger für Flüchtlinge bietet auf ihrer Webseite allerhand Informationen wie und in welcher Form man helfen und unterstützen kann.

Zum Beispiel durch

Geld spenden

Sachspenden

ehrenamtliche Unterstützung  lokaler Hilfsprojekte (Infos bei Eurer jeweiligen Kommune/Stadtverwaltung/Gemeinde)

Und – ganz wichtig – bezieht Stellung! Zeigt in Eurem Alltag, in sozialen Netzwerken und wo Ihr sonst auf rassistische Äußerungen, Hassparolen oder „Ich bin ja kein Nazi, aber…“-Sager stoßt, dass diese Menschen in der Minderheit sind. Denn daran glaube ich ganz fest!

Lasst uns gemeinsam diese Welle der Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft unterstützen und stärken, jeder von uns auf seine Weise.

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5 Kommentare

  1. Ich denke auch oft darüber nach, was ich meiner Tochter sagen würde und wenn mir, wie dir, nur ein „Ich weiß es nicht einfällt“, bin ich froh, dass sie erst 18 Monate alt ist und die Nachrichten nicht mitbekommt. Was sie aber merkt ist, wie ich drauf bin, wie fertig ich bin, wenn wir Nachrichten hören und wie wir darüber reden. Sie merkt, dass irgendwas nicht ok ist. Aber wir wollen unsere Gefühle vor ihr nicht verstecken. Ich finde, du machst das richtig, denn je mehr ihr euch damit befasst, desto eher wird aus dem „Ich weiß es nicht“ eine Antwort, die sie alle verstehen. LG BElla

    • Mamamania

      Danke für deine Worte Bella. Mir würde schon mehr einfallen als „Ich weiß es nicht“ aber ich will ihnen diese harte Realität noch nicht zumuten. Außerdem ist „Ich weiß es nicht“ gar nicht so falsch. Ich frage mich ja selber oft, warum die Welt so ist.
      Dass wir betroffen, geschockt und wütend sind, bekommen sie schon mit. Das ist auch richtig. Aber die grausamen Details mute ich ihnen noch nicht zu. Sie wissen, dass die Menschen fliehen, weil es ihnen schlecht geht in ihrem Land, sie im Krieg leben oder Hunger leiden und deshalb hierher kommen und unsere Hilfe brauchen. Das reicht für ihr Alter an Wissen finde ich.

  2. Pingback: Deutlich sein | Pia Ziefle | Autorin

  3. Ich bin immer hin und her gerissen, wenn es um solche Sachen geht. Ich kann nicht genau saugen wie alt deine Kinder sind. Aber ich finde es wichtig dass sie nicht ihre ganze Kindheit von „dem Bösen in der Welt „(merke fette Anführungszeichen) behütet werden. Wenn sie im Grundschulalter sind finde ich,kann man ihnen auch durchaus, kindgetecht, ihre Fragen beantworten. Kinder vertragen und verstehen viel mehr als man denkt. Mein erster Schultag war an 9/11. ich habe das bei einer freundin sehr live mitverfolgt. Von da an auch aus eigenem Interesse die ganzen Folgen. Es hat mir nicht geschadet. Mit zusätzlicher Erklärung meiner Eltern. Wenn man Kindern erklärt, dass in manchen Ländern Krieg herrscht und die Menschen daher dort weg wollen ist das für Kinder sehr verständlich. Auch wenn man ihnen erklärt dass diese Flucht sehr gefährlich ist. Kinder zerbrechen nicht an sowas. Ich habe festgestellt das es Kindern garnicht gut tut sie komplett in Watt zu packen. Der unvermeidbare Zusammenstoß mit der Realität wird dadurch nur viel krasser. Lieber dosiert und Stückchen für Stückchen.

    • Mamamania

      Hallo Natalia, das sehe ich schon auch so ähnlich. Es kommt aber eben auf die Persönlichkeit des Kindes an und auf das Alter. Das Lausdirndl ist 5, ihr möchte ich noch nicht erzählen, dass Kinder auf der Flucht sterben oder ähnliches. Die Traumtänzerin ist 8 und sehr mitfühlend und sensibel. Mit ihr bespreche ich die Dinge schon genauer. Aber auch hier muss ich aufpassen, dass es aufgrund ihrer Empathie nicht zu viel wird. Beide wissen, dass die Menschen fliehen, weil sie aus Ländern kommen, in denen Krieg herrscht oder es ihnen aus anderen Gründen schlecht geht. Dass sie Angst um sich und ihre Familien haben und daher in unser und andere Länder kommen und Hilfe brauchen. Dass sie arm sind und quasi nichts mehr besitzen. Aber die Dimensionen des ganzen Schreckens, von Schleusern, ertrinkenden oder anders sterbenden Flüchtlingen, von gezielter Gewalt gar, finde ich für ihr Alter und ihr Gemüt noch nicht tragbar. Das kommt dann schon Schritt für Schritt. Beide wachsen keineswegs in einer Blase aus Plüsch auf. Aber ich glaube, dass nicht jeder Mensch gleich viel ertragen kann. Das ist sehr persönlichkeitsabhängig. Ich zum Beispiel brauche und will auch keine Bilder von toten Flüchtlingskindern sehen, um mir ihres Leids und der Fakten bewusst zu sein. Ich stimme dir zu, dass man auf ihre Fragen kindgerecht antworten sollte. Aber manchmal kommen solche Fragen auch so überraschend, dass man für den Moment erstmal nur „Ich weiß es auch nicht“ rausbringt. Da ich diesen Radiobeitrag selber nicht gehört hatte, weiß ich es ja tatsächlich auch nicht, wodurch diese 3 Flüchtlinge konkret umgekommen sind. Also ist es im Grunde die Wahrheit 😉