Glaubensfrage

Meine Großeltern waren sehr gläubig und streng katholisch. Als meine Schwester und ich klein waren, liebten wir es, wenn unser Opa uns Geschichten von Jesus erzählte. Den Gedanken, dass es Schutzengel gibt und einen Gott, der über uns wacht, fand ich sehr beruhigend.
Später dann entwickelte sich mein Glaube weiter, ich hinterfragte, stellte infrage, kritisierte und blickte über den Tellerrand, und mein Glaube veränderte sich – immer weiter weg vom Konzept der katholischen Kirche.

Meine Mutter schlug in der Hinsicht schon früh einen alternativen Weg ein, ließ uns aber völlig unbeeinflusst unsere eigene Entwicklung machen.

Mein Mann ist wie ich katholisch getauft, aber ebenfalls nicht mehr überzeugt vom Konzept von „Gottes Bodenpersonal“. Daher haben wir auch nicht kirchlich geheiratet.
Als die Traumtänzerin geboren wurde, überlegten wir natürlich, ob wir sie taufen lassen oder nicht. Eigentlich hätten wir vom Gefühl her dazu tendiert, unsere Kinder erstmal nicht taufen zu lassen, sondern sie später ganz selbständig entscheiden zu lassen, ob und „bei welchem Verein“ (wie mein Vater gern scherzhaft sagt) sie das möchten.
Wir wohnen jedoch in einem kleinen bayrischen Ort. Die meisten Kinder und somit späteren Klassenkameraden unserer Kinder sind katholisch getauft, manche evangelisch. Aber andere Glaubensgruppen oder „konfessionslose“ sind hier oft noch die Minderheit. Außerdem sind einige weiterführende Schulen in Bayern kirchlich und an entsprechende Aufnahmebedingungen gebunden – und wir wollten für unsere Töchter alle Möglichkeiten offenhalten.
Zudem finde ich es wichtig, dass unsere Kinder – zumindest anfangs – die Geschichte des Christentums erfahren. Wir leben in einem christlichen Land und feiern Christliche Feste und genießen die damit zusammenhängenden Feiertage und Annehmlichkeiten – da sollte man zumindest wissen, woher diese kommen.

Ich habe mit unseren Kindern oft über Gott gesprochen, von klein an. Dass der liebe Gott uns beschützt und über uns wacht, dass er alle Menschen genau so gemacht hat, wie sie sind und sie lieb hat, und dass Lebewesen, wenn sie sterben, im Himmel bei Gott sind. Diese Gedanken empfand ich als Kind so beruhigend und vertrauenserweckend, dass ich das gerne genau so an meine Kinder vermitteln wollte.
Das Lausdirndl geht in einen katholischen Kindergarten und erzählt uns oft von Gott. Wenn Feiertage anstehen, kommt der „Herr Pfarrer“ (ein sehr freundlicher, offener Afrikaner) vorbei und erzählt den Kindern, warum wir diese Feste feiern. So kam es, dass das Lausdirndl, die noch mit 2 Jahren den KiTa-Hit „Stups der kleine Osterhase“ geträllert hatte, im Alter von 3 lauthals „Jesus starp füa uns am Kreuz, er gab uns sein Leeeeben!“ schmetterte und mir von der „Stachelkrone“ erzählte.

Als die Traumtänzerin eingeschult wurde, kam sie nun also in den katholischen Religionsunterricht. Von Beginn an war sie dort unglücklich. Ich versuchte herauszufinden, woran das lag. Möglicherweise an der resoluteren Art ihrer Lehrerin, vielleicht auch daran, dass ihre beste Freundin in Ethik geht oder weil sie den Unterrichtsstoff, wie sie sagt, langweilig findet.
Immer wieder bat sie darum, in Ethik gehen zu dürfen. Eines Tages fragte ich sie, ob sie denn wisse, was ihre Freunde in Ethik machen. „Manchmal machen die da Hausaufgaben und müssen die dann nachher nicht mehr machen“ war ihre unerwartete Antwort. Nun, ich bin mir sicher, dass die Traumtänzerin da eine sehr selektive Vorstellung vom Unterrichtsstoff hat ☺

Ich stecke wirklich in einem Zwiespalt – auf der einen Seite würde ich ihre Entscheidung gerne unterstützen, auf der anderen Seite bin ich aber über die Gründe dieser Entscheidung unsicher. Hinzu kommt, dass nächstes Jahr ihre Kommunion anstehen würde.
Die Traumtänzerin weiß das und fragt immer wieder, warum sie denn zur Kommunion gehen soll. Was das denn bringe. Und ehrlich gesagt – ich weiß nicht, was ich ihr antworten soll! Ich finde, sie hat Recht – was bringt denn die Kommunion? Ich selber habe überhaupt keine Lust auf diesen Zirkus. Ich stehe nicht wirklich dahinter, das spürt die Traumtänzerin natürlich und meine lahme Argumentation war, dass sie sonst als Erwachsene dann vielleicht nicht kirchlich heiraten kann. Das habe nicht mal ich selber mir abgekauft.

Auch neulich Abend kam sie wieder auf das Thema Religion.
„Mama, glaubst du, dass Gott die Welt erschaffen hat? Ich glaube das nicht! Die Religionslehrerin hat uns einen Schmarrn erzählt! Ich glaube, dass die Welt aus einem Meteoriten entstanden ist.“

Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu und wir werden bald eine Entscheidung treffen müssen. Wie auch immer diese ausfällt, ich weiß nur eins – ich bin unheimlich stolz auf meine kluge Tochter. Und bin völlig ihrer Meinung. Was die Kommunion angeht und den Meteoriten auch!

Welt
© Traumtänzerin

Kommentare

Source: Mamamania

2 Kommentare

  1. Sehr nett zu lesen. Ich bin hier eher gerade zufällig auf diesen Blogeintrag gekommen, da ich mir selbst die Glaubensfrage stelle (23 Jahre alt). Braucht man die Religion um die positiven Werte zu vertreten oder ist man schon unbewusst religiös, wenn man diese Werte vertritt? Denke hier vor allem an Nächstenliebe, Vergebung, an das Gute im Menschen.

    Wie ist denn dein „Problem“ weitergegangen? Ist ja nun schon ein bisschen her =)

    Grüsse Michael

    • Mamamania

      Hallo Michael,
      wie nett, dass auch die älteren Texte noch gefunden und gern gelesen werden. Wir haben die Traumtänzerin zum 3. Schuljahr dann aus Religion rausgenommen und für Ethik angemeldet – ganz nach ihrem Wunsch. Sie hat es nicht bereut (auch nicht, als ihre Freundinnen jetzt zur Kommunion gegangen sind) und wir sowieso nicht :-)
      Viel Erfolg für deine weitere „Suche“!