Gratwanderung Mein Umgang mit kindlicher Privatsphäre im Netz

shield-105498_640

Man liest hier viel über das Nesthäkchen. Aber – ich habe ja drei Kinder! Wieso liest man über die Traumtänzerin und das Lausdirndl so wenig? Tatsächlich habe ich über meine beiden Großen in den letzten Monaten oder sogar Jahren nur selten und wenig Detailliertes geschrieben. Das hat keineswegs damit zu tun, dass ich nur noch Augen und Zeit für meine Jüngste habe, sondern einen ganz einfachen Grund: Privatsphäre.

Das hier ist mein Blog, es war meine Entscheidung, persönliches in „dieses Internet“ zu schreiben – und nicht die meiner Kinder. Das Internet ist öffentlich und anonym – ich weiß zum großen Teil nicht, was das für Menschen sind, die meine Texte lesen. Im Grunde gewähre ich also jedem Einblicke in unser Leben – inwieweit kann ich aber selbst bestimmen. Das Gleiche gilt im übrigen für erkennbare Fotos im Blog und sozialen Medien.
Mir war es schon immer sehr wichtig, meine Kinder keinesfalls im Netz bloßzustellen. Das klingt jetzt vielleicht krass, aber letztendlich ist es das auch. Bloßstellen im Netz – das wollen wir doch alle nicht! Aber für mich fängt die Grenze dazu sehr früh an. So habe ich beispielsweise niemals über Themen wie Trockenwerden etc. geschrieben. Auch wenn das vielleicht ein Thema ist, das viele Leser findet. Denn das beschäftigt alle Eltern irgendwann. Aber – mal ganz knallhart formuliert – es geht niemanden etwas an, ob eins meiner Kinder mal in die Hose gemacht hat oder wann es das erste Mal ins Klo gekackt hat. Ernsthaft. Die allermeisten von uns würden auch nicht auf die Idee kommen, über unsere Ausscheidungen öffentlich im Internet schreiben. Würde ich mal so pauschal behaupten. Warum also über die unserer Kinder? Und das auch noch ohne deren Zustimmung.
Ich habe mittlerweile mindestens eine Tochter, die alt genug ist, im Internet zu surfen. Google ist für sie kein Fremdwort und sicher auch für ihre Klassenkameraden nicht. Ich möchte keinesfalls, dass sie sich schämt, weil ihre Schulkameraden etwas über sie in meinem Blog lesen und sie damit aufziehen, bloßstellen, schlimmstenfalls sogar mobben. Deswegen nenne ich die Kinder übrigens auch nicht bei ihren realen Namen hier – wegen Google, und nicht etwa, weil ihre Namen so ein Geheimnis wären. Mir ist schon bewusst, dass internetaffine Jugendliche trotzdem darauf stoßen könnten. Und genau darum ist mir das Thema Privatsphäre so wichtig.

Aber – und das ist die Gratwanderung – natürlich gibt es auch Themen, die mich beschäftigen und über die ich hier gerne schreiben würde. Denn dafür habe ich schließlich meinen Blog aufgebaut. Zum einen kann das Austausch bedeuten – und auch anderen Eltern mit denselben Unsicherheiten und Herausforderungen helfen, sich damit nicht mehr ganz so allein zu fühlen. Das habe ich zum Beispiel anhand der vielen Reaktionen zu meinem Blogpost über meine Fehlgeburten gemerkt.
Und zum anderen ist mein Blog für mich auch eine Art Ventil – hier kann ich Dinge herauslassen, die mich beschäftigen und mir auf der Seele lasten. Und da sind wir wieder bei der Schwierigkeit der Privatsphäre. Der Gratwanderung. Ich kann nicht zählen, wie viele Texte ich in den letzten Jahren geschrieben habe, nur um sie dann wieder zu löschen, weil sie mir zum Veröffentlichen zu privat waren – im Bezug auf meine Kinder.
Manchmal habe ich es geschafft, derlei Themen akzeptabel zu verpacken. Liebevoll, wertschätzend, nicht zu tief in Details gehend, aber trotzdem das mitteilend, was mir ein Anliegen war. Aber ganz oft schien mir eben die Delete Taste die bessere Wahl als der Veröffentlichen Button. Im Bezug auf meine Kinder und ihre Privatsphäre bin ich lieber vorsichtig als unterhaltsam.

Ich glaube, dass sich viele gar keine Gedanken darüber machen. Denn nicht nur Blogs, sondern auch soziale Medien sind eine große Plattform für Eltern. Dampf ablassen, wenn es mal wieder anstrengend ist, tut gut. Lustige Anekdoten oder gar Bilder bringen viele Daumen, Herzen & Reichweite. Und Probleme und Sorgen finden Gleichgesinnte, Ratschläge oder Austausch. Das ist ja per se nichts Schlechtes. Im Gegenteil! Und auch ich nutze – wie meinen Blog – jene Medien für Elternthemen. Die Kinder komplett aus der Interaktion im Netz herauszuhalten ist zwar theoretisch möglich, aber praktisch in der heutigen Zeit schwierig und mMn auch nicht unbedingt notwendig. Die Schwierigkeit ist nur, das richtige Maß zu finden zwischen Reichweite und Respekt, zwischen Posts und Privatsphäre, zwischen Likes und Loyalität – nicht nur Kindern gegenüber. Eine Hürde, an der viele meiner Meinung nach darum scheitern, weil sie sich dessen schlicht nicht bewusst sind. Bewusstsein – oder Awareness (der Anglizismus wird heutzutage bei derlei Themen ja häufiger verwendet) – ist da ein Schlüsselwort.
Ich möchte hier  keineswegs mit dem Finger auf andere zeigen, aber ich möchte gerne genau das schaffen – Bewusstsein hinsichtlich dieses empfindlichen und wichtigen Themas. Unsere Kinder sind auf unseren Schutz angewiesen – auch auf den Schutz ihrer Privatsphäre.
town-sign-83730_640

PS: das gilt nicht nur im Internet, sondern natürlich auch im real life. Auch im persönlichen Gespräch mit anderen Menschen sollten wir die Privatsphäre unserer Kinder respektieren – aber hier ging es vorrangig ums www.

PPS: Nur weil ich (noch) mehr über das Nesthäkchen schreibe, bedeutet es nicht, dass ihre Privatsphäre weniger schützenswert wäre. Aber in dem Alter gibt es noch mehr unverfängliche Themen, viele auch mehr auf mich bezogen und/oder positiv behaftet. Wie eben in der Anfangszeit über die beiden Großen – damals noch Kleinen.

 

 

Bildcredits: Pixabay

Kommentare sind geschlossen.