Die Kinder sind jetzt in einem Alter, wo sie uns nicht mehr ständig brauchen. Sie spielen selbständig alleine oder miteinander, schlafen in der Regel durch, am Wochenende stehen sie alleine auf, machen sich Frühstück und spielen. Sie nehmen nicht mehr jeden zweiten Infekt der umherschwirrt mit und wenn es um die Freizeit geht, sind wir Eltern langsam abgemeldet und Freunde oder die Schwester sowieso viel cooler.
Mein Gehirn betrachtete diese Entwicklung anfangs noch mit skeptischer Vorsicht. Konnte es dem Frieden trauen? Das würde ja lange vergessene Möglichkeiten eröffnen! Endlich wieder echte Herausforderungen meistern, harte Nüsse knacken und spannende Aufgaben bewältigen – nicht solch langweilige wie in den letzten Jahren: Einkaufslisten planen, Familientermine merken, Kinderbücher vorlesen oder alberne Liedtexte lernen.
Das Gehirn wurde immer aufgeregter und schüttete dabei versehentlich ein paar Botenstoffe aus. Ein Schuss Endorphine und ein Hauch Dopamin wanderten durch die Nervenbahnen. Diese kribbelten aufgeregt und stimulierten das Hirn zu weiteren Überlegungen. Beruflich wieder richtig einsteigen, mehr Verantwortung, mehr Arbeitsstunden mit spannenden Projekten oder gar ein neuer Job – all das wäre doch jetzt machbar! Vor lauter Aufregung schüttete das Hirn immer mehr Endorphine und Dopamin aus, sogar eine Spur Adrenalin gesellte sich dazu.
Das weckte die Fortpflanzungs-Hormone – Östrogen, Progesteron, Testosteron & Co., die bis dato wohlig geschlummert hatten. Nach 2 Kindern hatten sie sich eine Auszeit doch wohl redlich verdient. Zumal jene beiden Kinder seit Jahren dafür sorgten, dass dieses leicht reizbare Gehirn immer wieder Stresshormone aussandte, wie zum Beispiel das ermüdende Cortisol. Aber Moment mal, von dem war ja schon eine ganze Weile nichts mehr zu spüren gewesen… Was war da los?
Die Hormone wurden misstrauisch. Da stimmte doch was nicht. Wollte das Gehirn, dieser egozentrische Wichtigtuer sie etwa ausbooten? Auf die Ersatzbank oder gar in den Ruhestand schicken? Sollte es das etwa gewesen sein mit der Babyproduktion? Nicht mit uns! dachten die Hormone und schmiedeten einen Plan. So leicht würden sie sich nicht unterbuttern lassen. Sie hatten nämlich eine mächtige Verbündete – die biologische Uhr. Diese stellten sie nun auf Alarm. Alle weiblichen Hormone im Körper wurden schlagartig wach und wuselten in Torschlusspanik erst mal kopflos durch meinen Organismus.
Das Hirn war verwirrt. Was war denn jetzt los? Was sollte dieser Aufruhr? „Spinnen die?“ dachte es. „Lange genug habe ich mich jetzt zurückdrängen lassen, mich mit Duziduzi und Kinderkacke beschäftigt, mit Elternabenden und einfachsten Arbeitsbereichen. Jetzt reicht’s mir!“
Das Gehirn warf nun seine Waffen in den Ring – Vernunft und sachliche Argumente. „Ein 3. Kind wäre Irrsinn! Die Kosten, die schlaflosen Nächte und Kinderkrankheiten! Der große altersmäßige Abstand zu den Schwestern! Beruflich wieder bei Null beginnen“ schleuderte es den Hormonen entgegen.
Die Hormone feuerten wiederum mit Emotionen – und projizierten Erinnerungen an die Baby-Traumtänzerin und das Mini-Lausdirndl, niedlichen Babycontent, süße Babydüfte und Endzeitvisionen „Nie wieder ein Baby?!?“ in Richtung des limbischen Systems.
Und ich? Beobachte nun verwirrt diesen inneren Zwist. Normalerweise lasse ich gerne meinen Bauch entscheiden. Aber der weiß hier auch nicht weiter. In diesem Fall bin ich eigentlich auf der Seite meines Gehirns. Familienplanung abgeschlossen – das stand seit Geburt des Lausdirndls fest und das ist auch der Standpunkt meines Mannes (der hier ja auch ein nicht unbedeutendes Wörtchen mitzureden hat).
Aber die Hormone, diese kleinen Biester, kämpfen mit unfairen Mitteln. Mit den Erinnerungen an Baby-Traumtänzerin und –Lausdirndl und den dazugehörigen Untertiteln „Das willst du wirklich nie wieder? Nie wieder ein Baby?? Die Uhr tickt…“ bringen sie mich ganz schön ins Schleudern.
Wie gut, dass ich schon zwei Kinder habe. Durch sie habe ich gelernt, mit Streithennen umzugehen. Indem ich mich da raushalte. Sollen die zwei das doch alleine ausfechten. Jawohl!
Obwohl – im Gegensatz zu meinen streitenden Kindern bin ich hier doch ein bisschen parteiisch und drücke dem Gehirn die Daumen. Aber verratet’s nicht den Hormonen – die sind auch so schon zickig genug
Source: Mamamania