Kopf aus, Bauch an!

Was ich immer wieder beobachte, wenn ich im Online-Momiversum unterwegs bin, ist dass viele Mütter sich selber einen immensen Druck machen. Sie haben ganz genaue Vorstellungen wie die Geburt/ das Stillen/ die KiTa-Eingewöhnung/ das Einschlafen oder Trockenwerden ablaufen soll und sehen es oft als persönliches Versagen, wenn es anders kommt.
Woher kommt das? Ist es nicht merkwürdig, dass es uns ausgerechnet beim Natürlichsten der Welt – Kinder bekommen und großziehen – so schwer fällt, unserem natürlichen Bauchgefühl zu vertrauen?
Wieso lassen wir uns von äußeren Einflüssen so sehr verunsichern?

Ich kann mich selber hier gar nicht ausklammern. Das begann bereits als ich noch mit der Traumtänzerin schwanger und im Geburtsvorbereitungskurs war. „Ich will ja auf keinen Fall eine PDA“ tönte es aus vielen Mündern – bereits lange vor der Geburt wurde die schmerzstillende Periduralanästhesie scheinbar als persönliches Versagen bewertet. Dabei war das ein Kurs für Erstgebärende – wir hatten allesamt keine Ahnung von Wehenschmerzen! Da tut man es sich natürlich auch leicht mit seinen Vorstellungen. Spontaner Beginn, kurze Entbindung bei gedämpftem Licht und sanfter Musik, eine zarte Kreuzbeinmassage des Mannes und wenn der Schmerz zu heftig wird vielleicht ein, zwei Globuli unter der Zunge vergehen lassen. Nun ja, ihr könnt es euch denken…
Die Geburt der Traumtänzerin wurde 10 Tage nach ET eingeleitet (die erste Enttäuschung) und es folgten fast 30 Stunden Wehen, die zwar aushaltbar, aber dennoch schmerzhaft und kräftezehrend waren und mich kaum schlafen ließen. Leider bewirkten sie außer der Schlaflosigkeit noch nicht viel, was mich zusätzlich frustrierte. Als dann schließlich die Fruchtblase platzte und die richtigen Wehen mir fast den Atem nahmen war ich heilfroh um die PDA, die mir die nötige Freiheit verschaffte, ruhig zu werden und den Körper seine Arbeit tun zu lassen. Trotz übler Kopfschmerzen als Nebenwirkung der PDA bereute ich diese Entscheidung zum Glück nie!

Dann kam die nächste Hürde – das Stillen. Die Traumtänzerin brüllte jedesmal, wenn ich sie anlegte, wie am Spieß – als würde ich ihr Gewalt antun. Ich versuchte alles mögliche – nichts half. Zufüttern musste ich ohnehin schon, und die Traumtänzerin – heilfroh endlich die Flasche zu bekommen, stillte sich quasi von allein ab. Ich wollte das zwar noch nicht akzeptieren (das Gefühl des Versagens belastete mich sehr), aber schlussendlich ging es nicht anders.

Es folgen weitere „Probleme“ beim Thema Trocken werden oder Essen – stets nur darum, weil ich andere Vorstellungen davon hatte, wann und wie dies ablaufen müsse als meine Tochter.

Zum Glück wurde ich mit der Zeit und mit dem zweiten Kind „schlauer“ – die Anführungszeichen darum, weil man mit schlau gemeinhin eine kognitive, kopfbezogene Eigenschaft assoziiert. In diesem Fall meine ich aber eben nicht den Verstand, sondern das Bauchgefühl und Urvertrauen, auf das ich langsam immer mehr zu hören begann.

Mit der Zeit erlebte ich viele verschiedene Situationen, in denen ich gegen mein eigenes Bauchgefühl ankämpfte, immer in der Absicht, es „richtig“ zu machen. Aber die Erfahrung, dass erst im Moment, in dem ich losließ die Dinge oft plötzlich rundliefen, ließen mich langsam begreifen und lehrten mich Stück für Stück, mir selber zu vertrauen.

Einen kleinen Anteil hatte vielleicht auch die Geburt vom Lausdirndl daran. Meine Zweitgeborene hatte es sich nämlich bereits im Laufe der Schwangerschaft verkehrt herum im Bauch gemütlich gemacht. Und obwohl mich alle aufmunterten, das würde sich sicher noch ändern, wusste mein Bauchgefühl (!) es besser. Die will nicht, war ich mir sicher. Dennoch ließ ich auch hier nichts unversucht. Ich lief mit Glöckchen in der Hosentasche herum, redete meiner Tochter gut zu und ließ mir beinahe die Zehen abfackeln beim Versuch, durch Moxen das Lausdirndl dazu zu bewegen, sich umzudrehen. Zu guter Letzt scheiterte auch der Versuch einer äußeren Wendung (was mich nicht überraschte)
Da ich aber partout keinen Kaiserschnitt wollte (auch hier wieder das Gefühl, dies sei mein Versagen) – entschied ich, nach Absegnung von Hebamme und Frauenärztin, das Lausdirndl natürlich zu entbinden. Die leise Sorge in meinem Bauch ignorierte ich – schließlich war es doch toll, wie natürlich ich dem Thema Geburt begegnete, oder? Dass ich eigentlich ein eher vorsichtiger bis ängstlicher Mensch bin ließ ich hier gar nicht erst durchkommen.
Erst mitten unter der Geburt, als meine Instinkte die Führung übernahmen, erwischte mich mit einem Mal die kalte Angst. Ich hatte Panik, dass das Lausdirndl hierbei sterben könnte. Zum Glück ging alles gut, die Anpassungsschwierigkeiten, die meine zweite Tochter in ihren ersten Tagen hatte, hatten laut Ärzten einen anderen Grund.

Aber ich vermute, auch diese Situation hat mir verdeutlicht, dass es so wichtig ist, auf mein Gefühl zu hören und meinen Instinkten zu trauen. Nicht an Vorstellungen festzukrallen, die in meinem Kopf, aus persönlichen Gesprächen oder gar der Darstellung fremder Menschen auf diversen Onlineplattformen entstehen. Erzählen und beschönigen kann man da viel, der Realität entspricht das deshalb noch lange nicht.
Und zudem gilt meiner Meinung nach auch hier wieder: es gibt kein Richtig oder Falsch. Denn jeder Mensch, jedes Baby und jedes Kind sind anders und haben ihre ganz eigenen Entwicklungen, Persönlichkeiten und Timings. Bei Baby a mag Stillen nach Bedarf ganz prima funktionieren, Baby b muss vielleicht regelmäßig erinnert werden und Baby c möchte vielleicht einfach lieber die Flasche.
Selbiges gilt für’s Trockenwerden, Einschlafen, Gemüse essen und und und…

Kopf aus, Bauch an! Sollten wir uns regelmäßig selber erinnern und auf unser Bauchgefühl vertrauen. Und den Kopf, der uns anderes erzählen oder Zweifel einflüstern will einfach mal ausschalten.

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