Die Kunst des Entkunstens

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„Spinnst Du?!? Die brauche ich noch!!!“ ruft die Traumtänzerin und reißt mir den Stapel Blätter aus der Hand, die ich just in Richtung Papiermüll tragen will.
Wir sortieren gerade das Utensilo am Maltisch der Mädchen aus, in das sie ihre gemalten und gebastelten Kunstwerke stopfen einräumen. Und das sind viele! Denn beide sind leidenschaftliche Malerinnen. Ich finde es natürlich toll, dass meine Töchter so, ähm, künstlerisch begabt sind. Aber dass das solche Ausmaße annimmt, ist dann doch etwas zu viel des Guten. Mit den Bildern, die beide zusammen in einer Woche malen, könnte man durchaus eine kleine Wohnung tapezieren. Wenn wir die alle behalten würden, wäre unser Haus bald zu klein. Und Anbauen ist nicht drin. Umziehen auch nicht. Wohin also mit dem Papierberg?
Verschenken ist mittlerweile keine wirkliche Option mehr (zumindest nicht in effektiven Mengen). Denn meine Freunde und Verwandten sind nicht blöd. Schon bei den letzten Malen haben sie mich so misstrauisch angeschaut, als ich mit einem ordentlichen Stapel Kinderkunst bei ihnen einfiel und flötete „da, die hat die Traumtänzerin alle NUR für dich gemalt!“ oder „schau mal, das Lausdirndl hat euch gezeichnet. Mit Pferden. Und Blumen. Und hier, auf einem Berg.“

Ich setze mich daher regelmäßig ab und zu mit den Kinder zusammen und miste aus. Entkunsten nenne ich das. Und das gibt jedes Mal Diskussionen, die sich gewaschen haben. Ja, die Traumtänzerin braucht UNBEDINGT alle 257 Variationen von „Pferd auf Wiese“. Und das Lausdirndl findet die zusammengeknüllten und mit Unmengen Kleber verbazten (und dadurch inzwischen mit Flusen aller Art gespickten) Papierbälle wunderschön!
Da ich auf diese Weise wesentlich mehr Nerven als Kunstwerke loswerde, bin ich dazu übergegangen, heimlich zu Entkunsten. An meinem freien Vormittag zum Beispiel. Ruck-zuck aussortiert, in den Papiermüll gesteckt und gleich noch leere Eierkartons und alte Zeitschriften von mir darüber. Ha! Ausgetrickst!
Später am Tag, ich bin gerade im Keller mit der Wäsche beschäftigt, ertönt ein Schrei: „SPINNST DU MAMA!?! Du hast meine SCHÖNEN Bilder weggeschmissen! Guck mal Lausdirndl, deine Kunstwerke auch!!“ schimpft die Traumtänzerin. Das Lausdirndl zieht empört die Luft ein und steht mit offenem Mund vorm Papierkorb, die Hände in die Seiten gestemmt! „Mama! Warum hast du das weggeworfen?!?“
„Oh, äh, entschuldigung! Ich dachte, das braucht ihr nicht mehr. Das war, öhm, ein Versehen. Was macht ihr überhaupt am Papierkorb??“ stammele ich, bemüht wieder Oberwasser zu bekommen und verfluche mich innerlich dafür, den Papiermüll nicht direkt zum Container gefahren zu haben.
„Wir suchen leere Klopapierrollen! Zum Basteln!“ kommt die Antwort. Na toll. Das ist wohl mieses Bastel-Karma. Da beißt die Katze sich selber in den Schwanz.

Beim nächsten Mal bin ich schlauer. Denke ich zumindest. Ich zerreiße die Bilder, die es nicht in den Kunst-Recall geschafft haben in kleine Fitzel, werfe sie in den Restmüll, und kippe den Rest Suppe von vorvorgestern darüber. So! Aber die Freude währt wieder nicht lange. Wer kann denn aber auch ahnen, dass just an diesem Tag meine Tochter damit anfängt, ihr Kaugummi unaufgefordert in den Mülleimer zu werfen! Erneute Empörung auf Seiten der Töchter, erneutes Stammeln meinerseits. Das gibt’s doch nicht! Ich lure in den Mülleimer. Da schaut ein halber Millimeter eines gemalten Pferdehufs unter der Suppenpampe raus.
Also verdonnere ich meinen Mann, mit mir gemeinsam auszumisten sobald die Kinder schlafen und anschließend direkt zum Container zu fahren! Wir sitzen also abends auf dem Teppich neben dem Maltisch, sortieren aus und werfen weg.
„Spinnst du??? Das brauche ich noch!“ rufe ich und schnappe mir die Bilder, die der Mann just im Begriff ist zu zerknüllen. Aber das 258. Pferd auf der Wiese, das die Traumtänzerin auf’s Papier gezaubert hat, ist so schön und das kackende Pony mit Reiter, das das Lausdirndl da gemalt hat, einfach zu lustig!

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3 Kommentare

  1. Hast Du keinen „geheimen Mülleimer“? Wir haben den im begehbaren Schrank versteckt… Kann ja nicht dauernd zur Mülltonne raus. Bin im wegschmeißen mittlerweile ziemlich rigoros. Ein paar Bilder dürfen in der Küche hängen, der Rest fliegt weg. Achja – wichtiger Tipp: Nie durschsichtige Mülltüten verwenden. Für Sie getestet. Inklusive Theater.

  2. Oh Mann… Das ist so anstrengend!! Ich stehe derzeit auch hilfesuchend vor einem riesen Kunstberg und weiß nicht so recht. Ich entkunste (großartiges Wort :D) auch immer heimlich und bisher bin ich sogar noch nicht ertappt worden – aber ich tue es mit schlechtem Gewissen. Aber ich habe zumindest bei der Großen mittlerweile ein Auge für die „echte“ Kunst und für die, die nur mal schnell aus Langeweile „extra für dich“ hingeschnoddert wurde. Und so sortiere ich das auch. Hilft ja nix. Man kann und darf nicht an allem so sentimental hängen. Auch die 5jährige weiß das 😛