Von Menschen in Grün und Mäusen in Dosen

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Mein Nervenkostüm ist momentan ein sehr dünnes. Gestern früh erfuhr ich, dass meine Schwester Wehen hatte und ihr 3. Kind (übrigens ein zuckersüßes, gesundes Mädchen) sich endlich auf den Weg machte. So sehr ich mich auch freute – wenn meine Zwillingsschwester in den Wehen liegt, bin ich jedes Mal ein Nervenbündel. Dazu kam gestern Abend eine große Zahnbehandlung, von der ich heute noch Schmerzen habe – von insgesamt 4 Spritzen und von 2 Stellen im Mund, wo ich mich aufgrund der Elefantendosis Betäubungsmittel aus Versehen selber gebissen habe.
Dann noch Stress in der Arbeit, da Pfingstferien und somit Urlaubszeit ansteht und entsprechend viel zu tun ist. Viel zu spät kam ich heute aus dem Büro und eilte zu meinem Auto, da ich für diesen Tag einer anderen Mutter Hilfe zugesagt hatte und nun neben meinen beiden auch noch zwei andere Kinder abholen und betreuen musste.

Parallel hat man als Working Mom ja tagtäglich tausend private organisatorische Dinge im Kopf, die ich mir meistens aufschreibe, damit ich sie nicht vergesse – schaffen tue ich davon für gewöhnlich nur die Hälfte. Ich komme mir oft vor, wie jemand, der mit 5 Gegenständen jonglieren muss und gleichzeitig einen Sack Flöhe hüten und Schillers Räuber auswendig lernen.
Als mir nach diesem stressigen Vormittag, wacker getragen auf einem wackligen Nervengerüst, im Auto wieder ein ToDo ins Bewusstsein ploppte, rief ich schnell meinen Mann an, um mich mit ihm abzusprechen. Dummerweise beim Fahren. In Sichtweite eines Polizeiautos. Prompt wurde ich rausgewunken.
Ich war selbstverständlich – wie ich eben so bin – sehr höflich, freundlich und einsichtig und erklärte den beiden jungen Polizisten (ein Mann und eine Frau, zusammengerechnet kaum älter als ich), dass ich selbstverständlich einen Fehler gemacht hätte, dies sonst nicht mein Usus ist und ich mich immer vorbildlich im Straßenverkehr benehme. Dass 4 Kinder dringend darauf warten, von mir abgeholt und versorgt zu werden und ich nur ganz kurz Bescheid geben wollte, zudem ja auch die Ampel vor mir rot war. Natürlich trotzdem verboten, aber dass ich mich als Mutter einfach immer zerreißen müsste, immer in Eile wäre und doch nie alles schaffen würde.
Selbstverständlich drückten sie kein Auge zu. Bei so einem schwerwiegenden Delikt wie Telefonieren am Steuer. Außerdem kann man von so jungen Menschen ja kein Verständnis für die Probleme einer Working Mom erwarten. Was wissen die schon von dem Stress, dem Druck und dem täglichen Drahtseilakt. Da brach es aus mir heraus – ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Nicht wegen der 60 Euro Bußgeld, auch nicht wegen dem 1 Punkt, den ich zu erwarten habe, sondern einfach, weil dies der berühmte Tropfen war, der mein randvolles Fass zum Überlaufen brachte.
Ich ärgerte mich darüber, dass ich vor diesen beiden wildfremden jungen Menschen in Tränen ausbrach. Augenscheinlich wegen 60 Euro. (Auch wenn ich zwischen den Schluchzern beteuerte, es sei nicht deswegen, nur sei gerade alles zu viel, ich würde mich zerreißen und es doch niemandem Recht machen können. Aber was interessiert das schon zwei Polizisten weit unterhalb der 30.)
Und dann ärgerte ich mich darüber, dass ich mich darüber ärgerte. Weil es doch nur menschlich ist, dass manchmal alles zu viel wird. Und dass man Schwäche zeigt. Unter all diesen Belastungen ächze ich schon an einem normalen Tag und falle am Abend todmüde auf die Couch. Und an einem Tag wie heute, mit der nervlichen Achterbahnfahrt vom Vortag noch in den Knochen konnte ich das erst recht nicht auch noch gebrauchen. Wie eine Saite, die so sehr gespannt ist, dass es nur einen winzigen Stups braucht, um sie zum Reißen zu bringen. Der Stups kam eben heute von zwei jungen Menschen in grün.
Trotz dieses Wissens ist es mir peinlich, dass ich die Beherrschung verloren habe und meine Gefühle und Worte wieder einmal so unhaltbar übergesprudelt sind. Aber ich bin nun mal so. Mir liegt das Herz auf der Zunge und meine Emotionen kochen sehr leicht hoch.

Und dann holte ich die Kinder ab. Die Traumtänzerin streckte mir ihr kleines rosafarbenes Lego-Brotzeitdöschen unter die Nase und meinte „ Mama, soll ich dir mal eine Überraschung zeigen??“
Wieder mal ein leeres Schneckenhaus dachte ich. Oder der siebenundfünfzigste „Zauberstein“ oder ein gefundener Schatz. Aber als sie den Deckel öffnete traf mich der Anblick einer toten Maus doch sehr unvorbereitet. Ich meine, wer rechnet schon damit?? Eine tote Maus! In einer Brotzeitdose!! Zwischen erschrocken, überrascht und angeekelt konnte ich nicht anders als loszuprusten. Ich musste so lachen und konnte vor lauter Lachen gar nicht böse sein über die ruinierte Dose.
Dieses völlig absurde Bild der toten Maus in der rosa Snackdose holte mich zum Glück wieder etwas aus meinem Tief und schenkte mir ein Bisschen von der Leichtigkeit wieder, die man im stressigen und oft viel zu ernsten Alltag so sehr gebrauchen kann!

Trotz all der Anstrengung bin ich jeden Tag so dankbar für meine Kinder – keiner kann mir so sehr Kraft und Nerven rauben, aber ebenso gibt mir niemand so viel Freude, Leichtigkeit und Aufschwung!

Übrigens: wie sie mir später erklärte, hatte die Traumtänzerin die Maus bereits am Morgen auf dem Schulweg gefunden und (mit bloßen Händen!!!) zur Schule mitgenommen. Während der Schulzeit hatte sie sie unter einem Mülleimer draußen versteckt um sie nach Schulschluss in besagte Dose zu packen und in die Mittagsbetreuung zu transportieren. Traumtänzerin halt. Tierliebe der, ähm, sehr speziellen Art…

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