Müttersprache

Kinder verändern dein ganzes Leben – wie oft hatte ich diesen Satz gehört, noch bevor meine erste Tochter geboren war. Dass sich Tagesabläufe, Schlafgewohnheiten, Prioritäten und sogar der Freundeskreis verändern war mir klar gewesen. Aber es gibt auch Bereiche, von denen ich mir nie hätte vorstellen können, dass sie durch meine Kinder neu definiert würden. Zum Beispiel meine Sprache. Denn dass ich mir lieber die Zunge abbeißen würde als in diesen schrecklichen Babyjargon zu verfallen stand von vornherein fest. Wenn andere Mütter auf dem Spielplatz oder in der Krabbelgruppe in himmelhohen Tonlagen von „Bubu machen“ statt schlafen, „Ei, ei machen“ statt streicheln und dem Klassiker „da ist ein Wauwau“ sprechen, stellen sich mir die Nackenhaare auf! DAS IST EIN HUND!!!!! würde ich dann am liebsten laut rufen und diese linguistischen Barbarinnen fest schütteln! Über die Phrase „der Hund macht wau, wau“ lasse ich meinetwegen mit mir verhandeln. Aber nicht über den Namen an sich. Sollen meine Kinder erst mühsam die falschen Begriffe üben, nur damit sie wenig später wieder alles neu lernen müssen? Auch die ständigen Verniedlichungen wie Miezekatze, Didi oder Äpfelchen mag ich nicht besonders. Am furchtbarsten finde ich jedoch die fast zwanghafte Art vieler Kleinkind-Mütter, ausschließlich mit Infinitiven plus dem Wort „tun“ zu kommunizieren. „Die Mama tut kochen“ oder „tust du schön schaukeln?“ Wohin soll das führen? Bis hin zu „Tust du lieb ei, ei machen beim Wauwau“? Ich habe ungelogen eine Mutter beobachtet, die ihr ca 2-jähriges fürs Schieben des eigenen Buggys lobte mit den Worten: „tust du fein schiebi-schiebi machen?“ Da rollen sich mir die Zehnägel auf! Wie sollen diese armen Kinder denn später jemals gute Deutschnoten nach Hause bringen, wenn sie schon in der absoluten Basis-Sprachlernphase mit solchem Müll gefüttert werden?
Als mal eine ältere Dame die Traumtänzerin auf der Straße ansprach mit solcherlei babyhaftem Kauderwelsch runzelte diese nur die Stirn und schaute mich fragend an. Sie hatte die Frau schlichtweg nicht verstanden. ;D
Nichtsdestotrotz hat sich auch meine Sprache verändert. Wenn auch anders als zuvor beschrieben. Das fängt schon mit dem Wortschatz an. Hat man vorher öfter mal mit Wörtern wie scheiße, geil oder Ähnlichem um sich geworfen, wird einem spätestens wenn der eigene Sprößling beginnt, diese Worte zu verwenden bewußt, was man da eigentlich sagt. Und man bemüht sich, solche Worte zumindest in Anwesenheit der lieben Kleinen zu vermeiden.
Aber auch viel subtilere und somit heimtückischere Sprach-Fehlbenutzungen fallen mit den Kindern plötzlich auf. Wenn ich beispielsweise meinen Mann frage „gibst du mir bitte mal die Butter?“ dann versteht er das so, wie es gemeint ist und gibt mir die Butter. Frage ich aber meine Kinder „kommt ihr bitte Zähne putzen?“ ernte ich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein NEIN! Meine Kinder verstehen die Frage nämlich als genau solche. Und die bietet nunmal verschiedene Antwortmöglichkeiten. Also übe ich, meine Wünsche in Aussagen zu verpacken: „Bitte komm Zähne putzen“ oder „ich möchte, dass du dir die Schuhe anziehst“. Es ist allerdings keine leichte Aufgabe, sich über Jahre antrainierte Sprachgewohnheiten wieder abzugewöhnen. Aber ich übe :-/
Kinder halten einem ständig einen Spiegel vor – im übertragenen Sinne versteht sich. Mit ihrem Verhalten oder eben auch mit ihrer Sprache. Worte, die wir sonst im Meer der alltäglichen Gespräche gar nicht bewusst wahrnehmen, stechen aus einem Kindersatz plötzlich so deutlich hervor wie ein Leuchtturm. Meine Töchter verwenden zum Beispiel oft Begriffe, von denen ich mich frage, wo sie die nur her haben. Dann sagt mir mein Mann: „das sagst du auch oft“. Verblüffend, denn bei mir selbst hatte ich diese nie bewusst wahrgenommen.
Und sie benutzen Ausdrücke aus Büchern. Wie das Lausdirndl neulich: „meine Schwester bringt mir ein Eis und macht es mir erfreut auf!“ Oder die Traumtänzerin: „ich traue meinen Augen nicht!“ Was für schöne Wörter! Viel zu selten benutzt.
Oder sie versuchen Dinge zu beschreiben, für die sie noch kein Wort gelernt haben und ersetzen dies einfach durch ein ihrer Meinung nach treffendes. Wie die Traumtänzerin beim Radfahren über einen holprigen Schotterweg: „Oh, die Straße ist aber knusprig!“
Zudem habe ich durch meine Kinder Freude an „altmodischen“ Wörtern gefunden. So benutze ich ganz bewusst Begriffe wie pardauz, herrjemine oder finster. Weil sie so charmant klingen – und aus Kindermündern gleich doppelt so schön…
So, genug für heute. Ich tu jetzt fernsehen und dann fein Bubu machen 😉

2 Kommentare

  1. Du schreibst mir aus der Seeele! Sagt letztens eine fremde Hundebsitzerin zur 2jährigen: Willst Du beim Wauwau ei machen? Die 2jährige schaut erst sie stumm an, dann den Hund, dann mich, bevor sie – kopfschüttelnd und leicht vorwurfsvoll – sagt: Das ist ein Hund!

    Vermutlich hat sie meinen Verbesserungszwang geerbt, kann ich doch nie umhin, die Menschen auf die richtige Verwendung von als und wie aufmerksam zu machen…allerdings gestehe ich, dass ich dabei nicht so fassungslos schauen kann, wie die 2jährige es tat!

    ;-))

    Liebe Grüße