Rosa & Blau

Auf Twitter stoße ich immer wieder auf empörte Tweets über das Problem der „Genderisierung“ und Beeinflussung von Kindern. Das bedeutet, dass Kinder von klein auf darauf geprägt werden, was „mädchenhaft“ oder „jungenhaft“ ist. Jungs tragen blau, Mädchen rosa. Jungs bekommen Autos geschenkt, Mädchen Puppen. Jungs sind „wilde Piraten“, Mädchen „süße Prinzessinnen“. Jungs lieben Feuerwehr & Polizei, Mädchen Pferde. Jungs gucken bei der Baustelle zu, Mädchen malen. Jungs spielen Fußball, Mädchen machen Ballett. Jungs lesen Bücher über Ritter, Mädchen Feengeschichten. Ich könnte die Liste ewig fortführen.
Mittlerweile gibt es richtige Bewegungen und Kampagnen gegen diese Manifestation von Rollenklischees im Kindesalter, wie z.B. Pinkstinks u.a.

Als die Traumtänzerin klein war, liebte sie alles, was ein Blaulicht hatte. Ihren ersten Kindergartenfasching absolvierte sie als Feuerwehrfrau, trug ansonsten am liebsten blau, zog mich beim Kleiderkauf zielsicher in die „Jungs-Abteilung“, konnte mit ihrer Puppe nichts anfangen und bekam zum Geburtstag eine Parkgarage, nachdem sie ihrem Onkel all seine alten Matchbox-Autos abgeschwatzt hatte. Als ihre Freundinnen mit Ballett anfingen, wollte sie das auch ausprobieren, hatte aber bereits nach wenigen Stunden keine Lust mehr.
Dann folgte eine kurze „rosa Phase“ – sie wünschte sich Filly-Pferde, T-Shirts mit kitschigen Kätzchen und Feenflügel. Kurz vor der Einschulung kam dann die Pferde-Phase. Sie ging reiten und alles, was sie sich nun zum Geburtstag oder Weihnachten wünschte, musste mit Pferden zu tun haben: Kleidung, Schulranzen (okay, strenggenommen ist da ein Pegasus drauf), sogar ein großes Holzpferd zum drauf reiten für zu Hause musste es sein.
Beim Lausdirndl ist das wieder ganz anders. Auf der einen Seite ist sie eine kleine Rabaukin, auf der anderen eine Prinzessin. Sie liebt Puppen, Barbies und alles was glitzert und trägt am liebsten Kleider und Röcke.

Wir lassen unsere Kinder all das ausprobieren. Ohne zu bewerten oder kommentieren. Weil wir dieses Klischeedenken genau so blöd finden. Trotzdem packen beide jetzt auch schon vieles in die Jungen- oder Mädchenschublade. Rosa Kleidung ist für Mädchen. Rittergeschichten sind für Jungs. Denn ihre Freunde in Schule und Kindergarten kategorisieren das auch so, wir können das letztendlich gar nicht verhindern. Natürlich erwidere ich auf ein „rosa ist doch für Mädchen“ – „Wieso? Wer bestimmt denn, dass eine Farbe nur für ein Mädchen oder einen Jungen ist?“ Oder kommentiere „Wieso dürfen Mädchen denn nicht mit Autos spielen?“ usw. Aber unsere Kinder werden nicht nur von uns Eltern geprägt, sondern von all den Menschen um sie herum. Da stecken wir nicht drin.
Es gibt dieses bekannte afrikanische Sprichwort: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.“ Nicht nur wir Eltern beeinflussen unsere Kinder – und das ist auch gut so! Schließlich wünschen wir uns für sie doch, dass aus ihnen eigenständige Persönlichkeiten werden und keine Mini-Klone von uns. Wenn wir uns mal selber betrachten, sind wir ja auch keine 1:1 Kopien unserer Eltern, oft sogar ganz im Gegenteil. Weil wir von vielen Seiten beeinflusst wurden und uns selber Stück für Stück ein Bild machen konnten und unseren eigenen Weg finden.
So kommen unsere Kinder heute – wenn nicht von uns, dann von außen – zwangsläufig stetig mit diesen Rollenklischees in Berührung.

Viele regen sich darüber auf. Bei eingangs erwähnten Tweets richtet sich der Vorwurf zumeist an Hersteller von Produkten oder den Handel. Weil es „Prinzessinnen-Shampoo“ gibt oder „Piraten-Joghurt“ oder im Spielzeugkatalog extra Seiten „für Mädchen“ – mit viel pink oder lila, selig lächelnden Mädchen die ihre Barbies kämmen oder die Puppe wiegen. Oder eben mit Ritterburgen oder Fußballbildchen „für Jungs“.
Ja, ich finde das auch doof. Ich hätte für meine Große auch gerne „neutrale“ Erstleser-Bücher gehabt, aber im Buchladen oder der Bücherei gab es zwischen Prinzessinnen-/ Pferde-/ Feengeschichten und Piraten-/Ritterabenteuer leider nicht viel Auswahl.
Aber dem Handel oder der Industrie die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben halte ich für zu kurzsichtig. Denn diese richten ihr Angebot schlicht und ergreifend nach der Nachfrage. Und die scheint groß zu sein.
Denn die meisten von uns Eltern surfen auf dieser Welle mit. Kaufen dem Sohn einen Bagger oder der Tochter eine Puppe zum 1. Geburtstag, verkleiden die Jungs als Indianer oder Feuerwehrmann, die Mädchen als Fee oder Schmetterling.

Ich könnte mich jetzt natürlich wegen jedem Seeräuberjoghurt im Kühlregal oder Feenshampoo im Drogeriemarkt ärgern oder empörte Foto-Tweets ins Internet posten. Das bringt mir nur nichts. Denn dadurch werden weder diese Produkte wie durch Zauberhand verschwinden, noch ändere ich das Kaufverhalten anderer Familien.
Denn viele mögen diese geschlechterspezifischen Kategorien gerne und fühlen sich in den „klassischen“ Rollenklischees tatsächlich wohl. Finden die kleine Puppenmami mit rosa Haarschleife so niedlich und den kleinen Bauarbeiter mit Akkuschrauber zum knutschen. Und sollte das nicht auch jedem selber überlassen sein?

Auch unsere Kinder werden sich später – so wie wir – ihr eigenes Bild machen. Sie werden meiner Meinung nach auch weder im beruflichen noch im privaten Umfeld Nachteile haben, weil sie als Kind als Feuerwehrmann oder Fee verkleidet waren oder mit Puppen bzw. Autos gespielt haben. Und erst recht nicht wegen „genderisierten“ Produkten wie Piratenjoghurts oder Prinzessinnen-Shampoo.

Aber wer weiß, vielleicht sehe ich das ja auch zu blauäugig – oder zu rosaäugig. ;)

boy_girl

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Source: Mamamania

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