Von Liebe und Ängsten

Liebe_Ängste

Bevor ich Kinder hatte, hätte ich mir nicht einmal im Traum vorstellen können wie groß Liebe sein kann. Liebe, die einem nicht nur das Herz wärmt und den Bauch kribbeln lässt, die einen nicht nur von Kopf bis Fuß ausfüllt, sondern ganz und gar umhüllt. So groß, dass nichts darüber gehen kann, so tief, dass sie die Seele an Stellen berührt, die man zuvor nicht kannte und so weit, dass man manchmal denkt, man müsste platzen.

Diese Liebe ist das wunderbarste was man fühlen kann, aber sie bringt auch Schatten mit sich. Denn so groß sie ist, so tief ist man auch verletzlich. Ich bin ein Mensch, dem es schwerfällt, emotionale Distanz zu wahren. Als wäre mein Körper eine durchlässige Hülle, den Gefühle, Stimmungen und Schwingungen mühelos durchdringen können. In beide Richtungen. Ich lebe all meine Emotionen stets nach außen, ziehe mir aber auch alles Mögliche von außen persönlich an. Das macht mich sehr verletzlich und dadurch oft auch ängstlich. Vor allem eben, wenn es um die Kinder geht. Denn sie sind das Wertvollste was ich habe.

Ich sage immer halb im Scherz „Sobald die 2. Linie auf dem Schwangerschaftstest auftaucht, hört man nie wieder auf sich Sorgen zu machen“. Aber so ist es ja tatsächlich: Sorge vor einer Fehlgeburt oder ob das Baby gesund ist, ob bei der Geburt alles glatt läuft. Sorge vorm plötzlichen Kindstod, Sorge über herumliegenden Gegenstände, an denen das Kleinkind ersticken könnte, vor Gefahren oder Verletzungen im Kindergarten oder auf dem Schulweg. Und wehe, wenn unsere Kinder erst einen Führerschein haben und selber alleine auf den Straßen unterwegs sind. Das mag ich mir jetzt noch gar nicht ausmalen!

Manchmal geht diese Sorge bei mir noch weiter, nämlich wenn sie in Angst umschlägt. Vor allem in Zeiten, in denen ich extrem erschöpft oder gestresst bin oder durch andere Umstände von meiner inneren Mitte verrutscht. Auch jetzt in der Schwangerschaft ist es wieder extrem. Dann sehe ich dauernd die schlimmsten Bilder in meinem Kopf: wie meine Töchter am Frühstücksschinken ersticken oder beim Spaziergang von einem Hund angefallen werden. Wie sie im Teich ertrinken oder auf selbigem im Winter im Eis einbrechen. Wie sie am Bahnsteig auf die Gleise fallen oder auf der Straße von einem Auto überfahren oder einem Fremden entführt werden. Fürchterliche, realistische Bilder, die mich für einen Moment lähmen und wie ein Schraubstock gefangen halten. Es kostet mich dann richtig Mühe, diese Bilder abzuschütteln, tief durchzuatmen und die Angst wegzuschieben.

Mir hat mal jemand gesagt, dass diese Ängste ganz normal sind, ich mich von ihnen aber nicht vereinnahmen lassen darf. Sie annehmen, aber nicht in mich hineinlassen. Meine eigene Schutzhülle stärken. Wenn diese Bilder oder Ängste kommen, sollte ich versuchen, diese von außen zu betrachten. Denken „ach, da seid ihr ja wieder ihr lieben Mama-Sorgen. Danke für den Hinweis, aber ich komme klar, alles ist gut.“ Ich gebe mir Mühe, und manchmal bin ich gar nicht so schlecht darin.

Schwer wird es vor allem dann, wenn die Kinder in der Obhut von anderen sind. Dann fühle ich mich besonders machtlos, weil ich sie ja nicht selber beschützen kann. Es kostet mich dann sehr viel Selbstbeherrschung, nicht bei Oma & Opa oder meinem Mann anzurufen und zu sagen „Bitte pass auf, dass nicht xyz passiert“.

Ehrlich, dieses Loslassen!!! Ich hätte nicht gedacht, dass mir jemals etwas so schwerfallen würde. Zu vertrauen, dass alles gut wird und anzunehmen, dass dies nun mal nicht nur in meiner Hand liegt, sondern von irgendetwas Höherem gesteuert wird. Sei es nun ein Gott, Schicksal oder woran auch immer man glauben mag.

Ein bekanntes Sprichwort besagt:

Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.

Bei den Wurzeln bin ich schon sehr gut. Aber an den Flügeln muss ich wohl noch arbeiten.

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