Von Kirtans, Kaffee-Entzug und ganz viel Om!

Vor einiger Zeit hatte ich es endlich geschafft, mir ein Wochenende frei zu nehmen, um mit einer Freundin – ebenfalls Mama – zum Yoga-Wochenende in den Bergen zu fahren. Mit Yogamatten, Jogginghosen und reichlich guter Laune im Gepäck ging es los. Bei strahlendem Sonnenschein kamen wir pünktlich am Freitag Nachmittag beim Biohotel/Yogazentrum an. Auf dem Parkplatz standen nicht etwa klapprige VW-Busse, die nur durch zahlreiche Atomkraft-Nein-Danke Aufkleber zusammengehalten wurden, sondern lauter „normale“ Autos, eigentlich sogar recht schicke. Das beruhigte mich, hatte ich doch erst kürzlich mit meiner Freundin „Sommer in Orange“ im Kino gesehen und somit die wildesten Vorurteile im Kopf. Aber so ganz daneben lag ich doch nicht…
Vor dem Eingang begrüßte uns ein komplett in orange gewandeter Mann! Swami Ananda (so sein spiritueller Name) war ein sympathischer Blondschopf umd die 40. Er erklärte uns, wo wir uns anmelden konnten und bat uns, die Häuser nur ohne Schuhe zu betreten. So weit, so gut, das ist bei uns daheim auch nicht anders.
Zwischen den vielen orangenen und weißen Gewändern, die es hier zu kaufen gab, sowie Räucherstäbchen, Yoga-Büchern und Meditationskissen fanden wir die Rezeption und bekamen – ganz weltlich – einen Anmeldebogen ausgehändigt.
Willkommen in unserem Ashram! stand da geschrieben. Und neben dem Feld „Name“ wurde nach unserem „spirituellen Namen“ gefragt. Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Äääh, so weit war ich in meiner Yoga-Praxis bisher noch nicht gekommen. Aber – wir wurden beruhigt – wenn wir keinen spirituellen Namen haben, durften wir dieses Feld leer lassen. Meine Freundin fühlte sich allerdings bemüßigt, mich für den Rest des Wochenendes nur noch mit „Shakti“ anzusprechen, ich nannte sie im Gegenzug „Sashimi“.
Dann erfuhren wir die Regeln des Ashrams:
Alkohol, Zigaretten und Suchtmittel jeglicher Art (dazu zählte leider auch Kaffee!!!) waren verboten – nun, so weit war das keine große Überraschung. Auch Fleisch hat in der yogisch-vegetarischen Küche selbstredend nichts zu suchen. Aber dass auch Zwiebeln und Knoblauch tabu waren, war mir neu. Na gut, ich wertete es durchaus als Vorteil, wenn der Nachbar auf der Yogamatte nicht die damit verbundenen Ausdünstungen und Gase verströmte. Sowas kann ja bei diversen Yoga-Körper-Verknotungen durchaus peinlich werden.
Der Tagesplan (die Teilnahme wurde vorausgesetzt!) sah folgendermaßen aus:
6:00 – 7:30 Frühmeditation und Mantra-Singen
8:00 – 9:30 Yoga
10:00 Frühstücks-Brunch
14:00 Vortrag oder Karma-Yoga (was nichts anderes als Hausarbeit bedeutet!)
16:00-17:30 Yoga
18:00 Abendessen
19:30 – 21:00 Abendmeditation und Mantra-Singen
Eine frühe Bettruhe wird empfohlen!

Ich war verwirrt. Hatten die nicht das Mittagessen vergessen? Nein, wurde ich aufgeklärt, es gab nur 2 Mahlzeiten. Das sei für diesen Tagesablauf optimal und ausreichend. Und eine frühe Bettruhe? Die hatte ich ja schon zu Hause! Also nix mit stundenlangen Gesprächen mit Sashimi bei einem Fläschchen Wein (der war ja leider auch tabu)! Am meisten Sorge bereitete mir jedoch das Mantra-Singen. Aber ich hatte zum Glück keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken, denn die erste Yoga-Stunde fing an. Dann folgte das Abendessen, was durchaus essbar war, wenn auch einige gewöhnungsbedürftige ayurvedische Gewürze den Geschmack von Reis, Tofu und Gemüse überlagerten.
Dann war es so weit. Nach einer halben Stunde stiller Meditation – die ich als Mama nach einem Alltag voller Lärm und Stress durchaus zu schätzen weiß, zückte Swami Ananda – in einem neuem, aber ebenfalls orangenen Gewand – vorne sein Instrument. Es sah aus wie eine Mischung aus Zieharmonika und Orgel in einem Kasten – ich musste es googlen – man nennt es Harmonium. Ich nutzte die kurze Pause, um mich umzusehen. Die Wände hingen voller Fotos eines Yoga-Gurus in abenteuerlichen Verknotungs-Posen. Vorne, über einem altarähnlichen Tisch hing ein Portrait desselben Gurus. Ich schaute verstohlen die anderen Teilnehmer des Yoga-Wochenendes an – alles in allem ganz „normale“ Menschen wie wir. Und dazu noch sehr nette, wie wir in den nächsten anderthalb Tagen noch rausfinden konnten.
Dann ging es los. Wir bekamen ein Textbuch, und Swami Ananda begann zu singen, sich selbst und uns auf dem Harmonium begleitend. Er sang eine Textzeile der so genannten „Kirtans“ vor, wir sangen nach. Ich gebe zu, die ersten paar Zeilen setzte ich aus, da ich befürchtete, in hysterisches Lachen auszubrechen, sobald ich den Mund öffnete. Aber dann beschloss ich, einfach mitzusingen. Fast eine Stunde sangen wir nun fremdartige Texte wie Jaya Ganesha Pahimam, Supramanya rakshamam,Jaya sarasvati und so weiter. Die Melodien waren eigentlich ganz schön, und so schlimm, wie ich befürchtet hatte, war es gar nicht.
Dann gingen Sashimi und ich schlafen – die Anstrengungen der letzten Wochen, die gute Bergluft und der beruhigende Duft der Räucherstäbchen hatten uns tatsächlich müde gemacht.
Es wurde empfohlen, am nächsten Morgen vom Aufstehen bis nach der Meditation zu schweigen, was Sashimi und ich natürlich nicht schafften – wenn wir auch morgens um 5.30 Uhr wesentlich weniger gesprächig waren als sonst. Nach Meditation, Kirtan-Gesang und Yoga sowie schätzungsweise 57 Oooommmms gab es dann Frühstück, was sich als eine abenteuerliche Mischung aus Porridge, Salat und gewürzter Gemüsesuppe herausstellte. Außerdem vermisste ich meinen Kaffee schmerzlich – im wahrsten Sinne des Wortes, denn das Kopfweh, dass mich nun die nächsten 30 Stunden verfolgen sollte hatte ich dem Koffeinentzug zu verdanken.
Anschließend beschlossen wir, uns dem gemeinsamen Spaziergang anzuschließen, denn das traumhafte Wetter, das atemberaubende Bergpanorama und die frische Luft schienen mir optimal gegen Müdigkeit und Kopfweh zu sein und so ein netter Spaziergang mit Sashimi und ganz ohne Kids – da würden wir mal in Ruhe quatschen können. Oh wie hatte ich mich da geirrt! Nachdem wir den Spaziergang mal wieder mit 12 Ommmms und einem Kirtan begonnen hatten (die Yogis uns Yoginis dort sangen wirklich ständig – vor, nach und zwischen den Yogaübungen und sogar zu Beginn und Abschluss der Mahlzeiten!) wurden wir gebeten, schweigend zu gehen! Ich!! Schweigend!!! Hatte ich mich doch auf ein gemütliches Ratsch-Wochenende mit Sashimi gefreut, ohne dass ständig eins der Kinder an uns zerrte und ins Wort fiel! Aber kneifen ging nicht mehr, wir waren ja schon losgelaufen. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich es nach einer Weile dann tatsächlich genoss! Es ist erstaunlich, was man um sich herum alles wahrnimmt, wenn man nicht mit Reden beschäftigt ist. Der Weitblick über die Berge, Vögel in hohen Tannenspitzen, Kühe und grüne Wiesen – das alles hatte einen erstaunlich beruhigenden und gleichzeitig belebenden Effekt auf mich und so machte mir selbst die schweigende Meditation am höchsten Punkt unseres Weges nichts aus.

Als wir uns 24 Stunden später auf den Heimweg machten, fühlten wir uns gelöst und entspannt – ok, bis auf den Muskelkater von vielen Stunden Yoga vielleicht. Nachdem wir uns am erstbesten Gasthaus einen großen Kaffee und ein noch größeres Stück Kuchen bestellt hatten, ließen wir das Wochenende noch einmal Revue passieren.
Mein Fazit dieses Wochenendes:
– ich hatte (außer im Kinofilm „Sommer in Orange“) noch nie so viel Orange auf einem Haufen gesehen!

– in meinem ganzen bisherigen Leben hatte ich nicht annähernd so viele Ommms gesungen wie an diesem Wochenende

– DANKE! An den Entdecker des Kaffees!

– Schweigen kann toll sein!

– Kirtan-Singen ist gar nicht so schlimm!

Und auch heute noch, viele Monate später singe ich meinen Kindern manchmal ein kurzes Jaya Ganesha vor – die finden das nämlich lustig und es hilft hervorragend gegen schlechte Laune!

Namasté und Ommmmmmm!

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